Unsere Generation kennt das: Drucker einrichten für die Eltern, Virensoftware für die Tante und die Erklärung: „Papa, Wi-Fi ist, wenn du für deinen Internetzugang kein Kabel mehr brauchst.“ Die neue Generation ist im Anmarsch, haut in die Tasten – und wer weiß, vielleicht fragen wir in nicht allzu ferner Zukunft unsere Kinder, ob sie eben mal eine App für die Steuerung der Mikrowelle entwickeln können. Vorausgesetzt, die Talente von Jugendlichen werden richtig gefördert. „Jugend hackt„, ein gemeinsames Projekt von Young Rewired State und der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. hat sich genau das auf die Fahne geschrieben. Und war damit zum zweiten Mal sehr erfolgreich.
Ein Bericht unserer Gastautorin Anita Vetter.
Vom 12. bis 14. September versammelten sich ca. 120 Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren sowie 30 ehrenamtliche Softwareentwickler im Jugendhaus Königsstadt in Berlin-Mitte. Ihr Ziel: gemeinsam coden, Ideen spinnen und daraus eigenständig Projekte entwickeln. Die Veranstalter nannten drei Ziele des diesjährigen „Jugend hackt„: technisches Interesse von Jugendlichen fördern, Gleichgesinnte in einem physischen Raum treffen und vermitteln, dass technische Fähigkeiten auch besondere Verantwortung mit sich bringen. Denn diese haben die Macht, die Gesellschaft zu provozieren, aufzuklären, zu informieren und vor allem: zu verändern.
Ein Grund mehr, den ersten Veranstaltungstag nach Kennenlernen, einem Vortrag zu Open Data und der ersten Gruppen- und Ideenfindung mit einem Besuch von Frank Rieger abzurunden. Draußen wurde es schon dunkel, drinnen Turnhallenstimmung und neugierige Aufregung. 120 Jungentwickler schauten auf die Bühne, auf der Maria Reimer Frank Rieger vom Chaos Computer Club ankündigte, ganz charmant durch Vorlesen des Wikipedia-Eintrags über ihn. Auch sie ein wenig nervös. Freude, Applaus und schon schlenderte Rieger auf die Bühne und setze sich im Schneidersitz vor sein Publikum. Mit dem Kommentar, er habe keine Lust, so lange zu stehen, fing er an zu erzählen.
Er sprach darüber, das Hacken, also Technologien anwenden, wie niemand sie zuvor angewendet hat, eine Hackerethik erfordere. Dass Leute, die hacken können, sich entscheiden müssen: Was fangen Sie an mit ihrem Talent und ihrer Lebenszeit, wechseln sie auf die „dunkle Seite der Macht“ und verbessern Abhörsysteme und Werbeanzeigen oder setzen sie sich für das Gute ein, etwa durch die Entwicklung von Verschlüsselungsdiensten oder Torsystemen. Bei der Fragerunde im Anschluss gab es rege Beteiligung, so viel, dass sich auch nach dem offiziellen Vortragsende noch Grüppchen um Frank Rieger scharten, während andere an ihre Rechner zurückkehrten.
Beim diesjährigen „Jugend hackt“ teilten sich die Arbeitsgruppen in sechs verschiedene Bereiche: Bildung, Gesellschaft, Gesundheit, Freizeit, Umwelt und Überwachung. Schon am Freitag entstanden unzählige Ideen für Projekte. Angefangen von einer Stau-Chat-App, die Langweile im Stillstand auf Straßen vertreiben könne, einer Open-Source-Software für Stunden- und Vertretungspläne oder dem Vorhaben, eine intelligente Pillenbox zu entwickeln, die ältere und vergessliche Menschen an die Einnahme ihrer Medikamente erinnern soll, per SMS, E-Mail oder mittels Vibrationsarmband. Einige Ideen, so ein Mentor, seien zu groß gedacht, in zwei Tagen nicht zu schaffen. Auch mir kommt ein bundesweites Schülernetzwerk recht engagiert vor. Aber es gehe ja um Ideen, den Gehirnschmalz. Und wer weiß, an einigen Projekten könne auch über die Veranstaltung hinaus – dem Internet sei dank – weitergearbeitet werden.
Am Samstag wurde es dann ernst: Jeder Jugendliche konnte sich für eines der vorgeschlagenen Projekte melden. Dann ging es an die Konzeption und das Entwickeln, an Tischen mit Computern und Flipcharts und der obligatorischen Club Mate.
Fleiß gibt Preis, denn am Ende der dreitägigen Veranstaltung prämierte die „Jugend hackt“-Jury die besten Projektideen. Petra Sorge (Cicero), Sabine Geithner (Rails Girls Berlin), Sebastian Seitz (Technologiestiftung Berlin), Daniel Dietrich (Open Knowledge Foundation Berlin e. V.) und Michael Kreil (Open Data City) wählten folgende Gewinner in diesen Kategorien:
- Best in Show: „Kolumbus“ – liefert Vorschläge zur Tagesplanung basierend auf der Foursquare-Datenbank
- Best Example of Code: „Hackerspace Dashboard“ – eine Karte aller Hackerspaces samt Chipkarte zum Einloggen vor Ort
- Code a Better Country: „Safe Way Home“ – eine Karten-Visualisierung von Kriminalität in Berlin, basierend auf den Pressemeldungen der Polizei
- Hätte es schon längst geben sollen: „Awearness“ – ein 3D-gedrucktes Armband, das vibriert, wenn man z. B. an einer Überwachungskamera vorbeiläuft
- Best Design: „Dein Müll“ – eine Gamification-App zum Melden und Entsorgen von Müll
Neben „Jugend forscht“, „Jugend musiziert“ und „Jugend irgendwas„ etabliert sich jetzt „Jugend hackt“, bei dem mithilfe von offenen Daten gemeinsam Apps, Visualisierungen und andere Projekte aus den Bereichen Schule/Bildung und Freizeit/Umwelt auf die Beine gestellt werden. Dieses Jahr kamen doppelt so viele Teilnehmer wie 2013. Es wären mehr gewesen, doch der Platz schränkte die Anmeldezahlen ein. Gespannt sind wohl alle auf 2015 und wenn es soweit ist, gibt es alle Infos wieder auf jugendhackt.de.
Anita Vetter arbeitet als freie Redakteurin und Texterin. Vorher war sie Content und Communication Managerin z. B. bei studiVZ, der Holtzbrinck Digital AG und der sofatutor GmbH. In der Internet- und Startup-Branche kennt sie sich bestens aus – einen besonderen Schwerpunkt hat sie im Thema Content Marketing gefunden.
Mehr Infos zu „Jugend hackt“ gibt es außerdem an dieser Stelle im oreillyblog.
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