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Von CBT bis xAPI: Was Sie schon immmer über E-Learning wissen wollten

Ein Gastbeiträg von Christian Peters

Bereits seit dem 16. Jahrhundert bedienen sich Menschen der Hilfe von Maschinen, wenn es ums Lernen geht. Mit der Entwicklung von strombetriebener Hardware gelang im 20. Jahrhundert der große Durchbruch. Wussten Sie, dass inzwischen fast jeder Computernutzer schon einmal Nutzer eines E-Learning-Tools war? Oft ist das dem Lernenden gar nicht bewusst, da sich der Lernprozess hinter Begriffen wie CBT, MOOC oder Webinar versteckt. E-Learning findet in vielen Ausprägungen statt.

Ich möchte im Folgenden ein paar Grundlagen erklären, Fachtermini definieren und Zusammenhänge verständlich darstellen. Denn wie sagte bereits Randy Pausch in seiner Last Lecture:

You’ve got to get the fundamentals down, because otherwise the fancy stuff isn’t going to work.

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E-Learning-Varianten

Der Begriff E-Learning ist eine Kurzform von Electronic Learning. Darunter versteht man prinzipiell alle Formen des Lernens, bei denen digitale Mechanismen unterstützend zum Einsatz kommen. Beim Lernen mit Unterstützung von Computern wird auch von Computer-Based Training (CBT) gesprochen, beim Lernen mit Hilfe eines Netzwerks wie dem Internet heißt es Web-Based Training (WBT).

E-Learning in seiner einfachsten Form sieht so aus: Ein System verteilt Lerninhalte digital, und der Lernende navigiert durch sie hindurch. Simpler Content umfasst typischerweise Präsentationsfolien oder Quizfragen. Fortgeschrittene E-Learnings ermöglichen durch reichere Medienarten wie Audio und Video sowie einen höheren Grad an Interaktion (z.B. Drag&Drop) eine umfassendere Lernerfahrung.
Komplexe State-of-the-Art E-Learnings bieten schließlich nicht nur ausgeklügelte multimediale Lerninhalte wie Simulationen. Lernende haben hier oft auch die Möglichkeit, verschiedenen Lernpfaden zu folgen und individuelles Feedback zu erhalten.

Die Grenzen zwischen E-Learning und alternativen Lernformen verschmelzen dabei zunehmend. Grob unterscheiden kann man jedoch zwischen E-Learning und Face-To-Face-Learning, also dem klassischen Präsenzunterricht. Für Virtual Classrooms und hybride Lernformen, in denen die Vorteile von E-Learning und Face-to-Face-Learning kombiniert werden, hat sich der Begriff Blended Learning etabliert.

Vorteile und Herausforderungen

E-Learning ermöglicht sowohl synchrones Lernen, wie wir es aus dem Präsenzunterricht kennen, als auch asynchrones Lernen. Letzteres bedeutet, dass Lernende die Möglichkeit haben, in ihrem individuellen Lerntempo fortzufahren und Inhalte zu wiederholen, die sie nicht auf Anhieb verstanden haben.

In allen Bildungsbereichen ist es von großer Bedeutung, dass E-Learning nicht auf einen Standort beschränkt ist, sondern für Schüler, Mitarbeiter etc. via Internet global zur Verfügung gestellt werden kann. E-Learning muss nicht einmal mehr an einem bestimmten Arbeitsplatz stattfinden, sondern entwickelt sich zum Mobile Learning. Lernende können zudem Kompetenzen „just-in-time“ erwerben, zum Beispiel für ein kurzfristig anberaumtes Projekt. Unternehmen und Organisationen können durch all diese Vorteile gegenüber klassischen Lernmethoden durchaus Zeit und Geld sparen.

Ein Selbstläufer ist E-Learning jedoch keineswegs. Je komplexer das Lernsystem und je vielfältiger der Medienmix, desto höher sind die Kosten für die fachgerechte Erstellung von Lerninhalten und Distributionswegen. Zudem sollte E-Learning nicht als One-Size-Fits-All-Lösng verstanden werden. Möchte man einen hohen Lernerfolg und eine hohe Lernmotivation für die Lernenden erzielen, so müssen auf Seiten der Didaktik, Lernpsychologie und Mensch-Computer-Interaktion zahlreiche Faktoren bedacht werden. Dazu zählen: Zielgruppe, individuelle Lerntypen, Medienmix, Lehr- und Lernziele, Lerntheorien, Rahmenbedingungen, Entwurfsmuster, Qualitätssicherung, Nutzbarkeit (Usability) und Nutzererfahrung (User Experience).

Distributionsmöglichkeiten

Werden diese Herausforderungen ausreichend bedacht, stehen abhängig von der Art des E-Learnings unterschiedliche Distributionsmöglichkeiten zur Auswahl. Hier drei Beispiele:

Shared Workspaces

Unter einem Shared Workspace wird ein gemeinsamer Arbeitsbereich im Internet oder Intranet verstanden. Dieser bietet sich vor allem für verteilte Gruppenarbeiten an, da er Kommunikation, Austausch von Dokumenten, Rechteverwaltung, Versionierung und Archivierung ermöglicht.

Content Management Systems (CMS)

CMS wurden ursprünglich mit dem Ziel entwickelt, in Organisationen und Unternehmen kooperative Arbeitsprozesse zu koordinieren und zeitgleich beim Erstellen von Text- und Grafik-Content zu helfen. Heute kommen sie meist in der Webentwicklung zum Einsatz, ermöglichen jedoch auch die Konzeption von E-Learning-Inhalten. CMS bieten dabei den Vorteil, Inhalt und Gestaltung zu trennen, Komponenten einzeln zu verwalten und Arbeitsschritte zu gliedern.

Learning Management Systems (LMS)

Lernplattformen bilden in der Regel den Kern moderner E-Learning-Lösungen. Das zentrale Ziel von LMS ist im Vergleich zu CMS die Unterstützung von Lernprozessen. Das Funktionsspektrum eines modernem LMS variiert dabei so stark wie die Anzahl der verfügbaren Systeme. Die meisten davon unterstützen allerdings drei Kern-Features. Das sind…

…auf der administrativen Seite: die Verwaltung von Benutzerdaten, Kursdaten, Institutionen und die Kursevaluation.

…auf der Seite der Lernumgebung: die Visualisierung von Lernkursen und -inhalten, die Kommunikation sowie die Bereitstellung von Werkzeugen und die Personalisierung.

…auf der Seite der Autoren: die Erstellung von Lernobjekten, Aufgabentypen und Metadaten sowie die Gestaltung der Benutzeroberfläche

Aufbereitung und Strukturierung

Die Auswahl des Distributionsweges sollte immer von der Art der Lerninhalte und deren Aufbereitung abhängen. Gängige Aufgabentypen umfassen Multiple-Choice-Fragen, Lückentexte oder Drag&Drop-Aufgaben. Neuerdings spielt auch das handlungs- und erfahrungsorientierte Lernen eine größere Rolle im E-Learning. Es gelingt am besten, wenn das zunächst abstrakte Wissen an individuelle Erfahrung geknüpft werden kann.

Betrachten wir einige Möglichkeiten, wie sich Lerninhalte interessant aufbereiten und strukturieren lassen.

Web-basierte Labs

Um abstrakte Konzepte zu vermitteln, wie sie häufig in naturwissenschaftlichen Fächern vorkommen, bieten sich computergestützte Simulationen an. Während sogenannte Remote Labs den Zugriff auf entfernte physikalische Versuchsapparaturen ermöglichen, ermöglichen Virtual Labs deren realistische Simulation. Letztere können den Lernenden außerdem zusätzliche Kontextinformationen zur Verfügung stellen oder auf wichtige Zusammenhänge hinweisen, die sonst übersehen werden.

Game-based Learning

Gerade bei stark theoretischen Lerninhalten ist es eine Herausforderung, die Lernmotiviation aufrechtzuerhalten. Hier setzt das Game-based Learning an, also der Einsatz von didaktisch aufbereiteten Inhalten, die mit zentralen Merkmalen von (Computer)Spielen verknüpft werden. Zentral sind auf der Seite der Lernenden die rahmengebende Spielidee, die Spielregeln und der Spielspaß – und auf der Seite der Lehrenden die hierdurch beabsichtige Steigerung der Lernmotivation sowie die Förderung des Verständnisses komplexer Zusammenhänge.

MOOCs

Massive Open Online Courses (MOOCs) sind eine spezielle Form von Online-Kursen. Sie sind für eine hohe Teilnehmerzahl konzipiert (kein Zulassungsbeschränkung) und frei von Kosten für die Lernenden. MOOCs haben meist eine feste Struktur, die durch einen festen Start- und Endzeitpunkt charakterisiert ist, und somit eine weniger aufwändige Betreuung durch Lehrverantwortliche ermöglicht. MOOCs sind meist videolastig und daher in der Produktion nicht unbedingt die günstigste Art von Online-Kurs.

Im weltweit ersten MOOC (der von Dave Cormier iniitiert wurde), mussten Lernende Lerninhalte nicht nur aufnehmen, sondern auch bewerten und selber produzieren. Kurse, die diese Strutkur aufgreifen, werden cMOOCs (connectivistic Massive Open Online Course) genannt. Eine weitere Spielart sind xMOOCs (extensive Massive Open Online Courses), denen eine Präsenzveranstaltung wie eine Vorlesung zugrunde liegt, die später erweitert wird.

Datenstandards

Mit der steigenden Zahl von Aufbereitungsoptionen und Distributionswegen wird natürlich der Austausch von Daten immer wichtiger. Zwei Datenstandards müssen hier unbedingt erwähnt werden:

SCORM

Das Sharable Content Object Reference Model (SCORM) ist eine Sammlung von Spezifikationen und Standards für E-Learning, das die Kommunikation zwischen den E- Learning-Inhalten und dem LMS ermöglicht. SCORM existiert in verschiedenen Versionen.

xAPI

Ähnlich wie SCORM bildet die Experience-API-Spezifiaktion (xAPI) eine Schnittstelle zwischen E-Learning-Inhalten und dem LMS. Anders als SCORM sammelt xAPI jedoch weitreichende Lerneraktivitäten über verschiedene Geräte hinweg und kann unabhängig vom LMS verwendet werden.

Trends

Beim (State-of-the-Art-)E-Learning lassen sich verschiedene Entwicklungen beobachten, die sich an aktuellen technologischen Trends orientieren:

Personal Learning Environment (PLE)

Hinter der Idee der PLEs steht der Wunsch des Nutzers einer Lernumgebung, sie technisch wie inhaltlich an die persönlichen Anforderungen anzupassen. PLEs sind also im Vergleich mit klassischen LMEs nutzerzentrierter und hinsichtlich der Schnittstellen offener gestaltet. Lernende übernehmen häufiger die Rolle des Produzenten von Inhalten.

Adaptive Learning

Adaptives Lernen beschreibt eine Art des E-Learnings, bei dem die Präsentation der Lerninhalte und deren Reihenfolge vom System bestimmt wird. Basierend auf Daten von Lernenden und Experten sowie didaktischen Modellen können Lernpfade individuell angepasst werden. Beim Lernenden kann sich so eine größerer Wissensgewinn einstellen.

Learning Analytics

Datenanalyse spielt – wie in fast allen Bereichen – auch beim modernen E-Learning eine wichtige Rolle. Learning Analytics verfolgt das Ziel, Lernprozesse messbar zu machen. Dazu werden Daten von allen Akteuren der Lernprozesse erfasst, analysiert und zur Unterstützung aller Akteure aufbereitet.

Lernende erhalten via Learning Analystics Feedback zu ihrem Wissenstand und neue Lernempfehlungen. Lehrende werden über das Niveau ihrer Schüler informiert und auf eventuell bestehende Konflikte hingewiesen. Entscheider können eine Makro-Perspektive auf alle im Unternehmen oder in der Organisation stattfindenen Lernprozesse gewinnen.

Die umfassende Analyse von E-Learning-Daten ist selbstverständlich nicht unumstritten, Stichwort: Datenschutz bzw. Privatspähre.

Grundlagen verstehen, neue Fragen stellen

Auch wenn sich E-Learning mittlerweile zu einem komplexen Themenfeld entwickelt hat: Die Einstiegshürde bleibt niedrig, einen ersten Einblick in die faszinierende Welt des menschlichen Lernens und der Mensch-Computer-Interaktion gewinnt man relativ leicht. Dieser Grundlagenbeitrag hat hoffentlich ein paar Antworten geliefert. Gleichzeitig freue ich mich, wenn er Sie dazu ermutigt, viele neue Fragen zum Themenkomplex E-Learning zu stellen. Womit wir wieder bei Randy Pausch wären und einem weiteren wichtigen Credo für Lernende und Lehrende:

The questions are always more important than the answers.

christian_petersChristian Peters ist Kognitions- und Medienwissenschaftler, IT-Profi und Gründer der E-Learning-Agentur Eductive.

Beitragsbild: VFS Digital Design

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