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Pionierinnen der IT: Hedy Lamarr – eine Frau mit vielen Talenten

Teil 5 unserer kleinen IT-Geschichte: Gastautorin Annette Pohlke erinnert an die gebürtige Österreicherin Hedy Lamarr, die im November diesen Jahres 100 Jahre alt geworden wäre. Berühmtheit erlangte sie als Schauspielerin. Als Erfinderin aber entwickelte sie eine wichtige Technologie für abhörsicheren Mobilfunk. P.S.: Hier gibt es Teil 1 zu Ada LovelaceTeil  2 zu Grace HopperTeil 3 zum Programmiererinnenteam des ENIAC sowie Teil 4 zu den Frauen von Bletchley Park.

Zum ersten Mal berühmt wurde Hedy Lamarr – damals noch unter ihrem bürgerlichen Namen Hedwig Eva Maria Kiesler – durch einen Skandalfilm, bei dem ihr Gesicht in Großaufnahme beim Orgasmus zu sehen ist. Ob dieser echt oder gespielt war, ist nicht überliefert, war aber für den damit verbundenen Skandal unwesentlich. Ihr Mann, der Industrielle Fritz Mandl, war wenig erfreut. Noch Jahre später verwendete er viel Geld und Mühe darauf, Kopien des Films aufzukaufen.

Die Skandalnudel und der Spießer

Vielleicht fühlte er sich aber auch persönlich angegriffen: Der Film handelt von einer Frau, die jung einen deutlich älteren, gut situierten Mann heiratet, den sie dann aber schließlich verlässt, weil er ihr zu langweilig, zu spießig und vermutlich auch im Bett nicht gut genug ist. Offensichtlich war das zu viel Ähnlichkeit für ihren ganz realen Ehemann, der seiner Rolle als Spießer und Spaßbremse dann auch gleich gerecht wurde, indem er seiner frisch gebackenen Ehefrau die Arbeit als Schauspielerin verbot.

Hedy Lamarr. Tusche: Michael Oreal

Hedy Lamarr spielte mit Clark Gable,  Spencer Tracy und Judy Garland und wurde in Hollywood vorrangig wegen ihrer „glamourösen Schönheit“ verehrt. Tusche: Michael Oreal

Was zunächst vielleicht wie ein unwichtiges biographisches Detail wirkt, hatte Relevanz für das, was Hedy Lamarr zur Geschichte der IT beitragen sollte, denn ihr Ehemann spielte eine bedeutende Rolle in der Rüstungsindustrie und unterhielt enge Kontakte zu faschistischen Kreisen in Österreich, Italien, Deutschland und darüber hinaus. Seine Ehefrau hörte als Gastgeberin viel mit. Ihre spätere Motivation, durch technischen Fortschritt den deutschen Kriegsanstrengungen zu schaden, speiste sich unter anderem aus dieser eher unfreiwilligen Kenntnis der Kriegstechnik der Achsenmächte. Dass sie aus einer jüdischen Familie stammte, die eher liberal eingestellt war, war dabei ein zusätzlicher Faktor.

Hedwig wird Hedy

Das Paar trennte sich 1937. Hedwig Kiesler ging nach London (und später nach Kalifornien), wo sie ihre Filmkarriere wieder aufnahm. Dazu nahm sie den Künstlernamen Hedy Lamarr an. Bis 1958 drehte sie mehrere Filme, der bekannteste ist vermutlich „Samson und Delilah„. Allerdings hatte Hedy Lamarr als Ikone größere Bedeutung als als Schauspielerin, sie beeindruckte mehr durch ihren Look als durch ihre Fähigkeiten.

Während des Krieges suchte sie nach Möglichkeiten, gegen Nazi-Deutschland zu arbeiten. Sie war technisch begabt und strebte zunächst eine Mitarbeit als Kriegsfreiwillige im mathematisch-technischen Bereich an (wie auch Grace Hopper). Man riet ihr aber ab und sie wurde auf eigene Faust tätig. Gemeinsam mit George Antheil entwickelte sie das Frequenzsprungverfahren (FFHS), durch das eine geheime Nachrichtenübermittlung möglich werden sollte.

Vom programmierbaren Klavier zum programmierbaren Torpedo

Dabei wird ein Signal abhörsicher gemacht, indem man in sehr kurzen Abständen immer wieder die Frequenz wechselt, so dass höchstens Bruchstücke der Botschaft abgehört werden können. Sender und Empfänger müssen dabei in derselben Geschwindigkeit und Reihenfolge die Frequenzen wechseln.

Neben der Idee des Frequenzwechsels ging es also darum, ein Verfahren zu finden, Sender und Empfänger zu synchronisieren. Und hier kam George Antheil ins Spiel. Er hatte sich als Musiker bereits damit beschäftigt, mehrere der damals ungeheuer beliebten automatischen Klaviere („Pianola“) zu koordinieren. Die Steuerung solcher Klaviere geschah mit Hilfe von Lochstreifen. Entsprechend konnte man mehrere Instrumente durch die Verwendung identischer Lochstreifen synchronisieren. Antheil musste dies nur noch auf einen Funkmechanismus übertragen.

hedylamarr_patent

Die vollständige Patentschrift gibt es beim US-Patentamt

 

Die Ableitung vom Pianola ist unübersehbar. Das Patent schlägt z.B. 88 Frequenzen für die Sprünge vor, weil die handelsüblichen Lochstreifen dem Tonumfang des Klaviers entsprechend 88 Spuren hatten. So konnte man auf bereits existierende Materialien und Standards zurück greifen.

Das Patent wurde 1942 erteilt, allerdings kam es nicht mehr in der Rüstung zum Einsatz. Die Entwickler hatten gehofft, dass so Torpedos störungsfrei gegen feindliche Schiffe gelenkt werden könnten. Stattdessen wurde die Technik viele Jahre später für Bluetooth wiederentdeckt und Hedy Lamarr kam so noch einmal zu unerwartetem Nachruhm. Im Jahr 1997 verlieh ihr die Electronic Frontrier Foundation für die Entwicklung des Frequenzsprungverfahrens den EFF Pioneer Award.

Über die Autorin:  Annette Pohlke ist Historikerin mit großem Interesse an Computern und Neuen Medien. Für ihr Studium der Interkulturellen Erziehungswissenschaft beschäftigte sie sich mit interkulturellem Lernen in der virtuellen Welt “Second Life”, über die sie eines der wenigen verfügbaren Fachbücher verfasste (Second Life. Verstehen, erkunden, mitgestalten / dpunkt). Zur Zeit arbeitet sie an einer Geschichte der Rechenmaschinen (und einer Promotion in Alter Geschichte).

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