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Lesen ohne Schleppen: der Tolino Shine im Test

„Und hier ist noch die Büchertasche“, sagte meine Mutter früher immer kurz vor der Abreise in den Familienurlaub. Und drückte meinem Vater – traditionell für die Kofferraumbestückung unseres alten, gemütlichen Asconas zuständig – eine rund 10 Kilo schwere Tasche in die Hand: Darin: Lesestoff. Für alle. Reiseführer (mindestens 3), ADAC-Atlas, Wanderkarten, Kinderbücher, Krimis und Romane.

Gerade läuft nun die erste Ferienwoche hier in NRW – und statt mit dem Auto in die Alpen reisen viele Kids inzwischen mit dem Flugzeug gen Süden. Oder wie ich: mit der Bahn ans Meer. Eine extra Büchertasche habe ich einstellen müssen – zugunsten des Laufrads und diverser Spielsachen meiner Tochter. Ein Urlaub ohne Buch ist aber kein Urlaub. Ein Urlaub ohne viele Bücher ebenso. Das iPad kann eine Alternative sein, ist im Familienkreis aber zu begehrt.

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Mit Laufrad statt Opel Ascona: Definitiv kein Platz mehr für Büchertaschen

Der Tolino Shine

Also testete ich kürzlich einen E-Book-Reader. Genauer gesagt, den Tolino Shine. Netterweise bekamen wir für zwei Wochen ein Probegerät von den Thalia-Kollegen ausgeliehen. Gemeinsam mit der Deutschen Telekom sowie den Buchhandelsketten Weltbild, Hugendubel und Club Bertelsmann ist Thalia ist eines der Unternehmen, die hinter dem Reader stehen.

Rein äußerlich gefällt mir der Tolino Shine sehr gut. Der Reader fühlt sich wertig an, die Kunststoffoberfläche ist weich, Größe und Gewicht entsprechen denen eines Taschenbuchs. Ich kann ihn mir gut als Reisebegleitung vorstellen. Nach dem Anschalten bleibt der positive Eindruck: Das Schriftbild ist angenehm scharf, das Menü selbsterklärend. WLAN ist in gefühlten Sekunden eingerichtet.

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Ein Handschmeichler, der Tolino Shine

 

Erste Eindrücke

Und dann will ich lesen – und zwar erstmal, ohne mich zu registrieren. Wozu gibt es schließlich FreeBooks? Es folgt die erste Ernüchterung: Ohne ein Thalia-Konto geht hier gar nichts. Ich kämpfe ein wenig mit dem gewählten Benutzernamen und bekomme bereits leichtes Stirnrunzeln. Dies verstärkt sich, als ich ohne Angabe einer Zahlungsmethode noch nicht mal ein kostenloses Buch komme.

Schließlich kapituliere ich und gebe auch meine Kreditkartendaten her. Ich „kaufe“ eines meiner alltime favorites „Die Abenteuer Tom Sawyers“ (wir alle sollten mehr Mark Twain lesen) und freue mich, jetzt endlich die Kernkompetenz des Readers testen zu dürfen. Per Mail geht eine Rechnung über 0,- € ein, soweit alles gut. Doch dann die zweite Ernüchterung: Zwar ist Tom Sawyer schon lange gemeinfrei. Um das Buch jedoch auf dem Tolino Shine zu lesen, benötige ich eine Adobe ID. Das verweigere ich … und verzichte auf Tom Sawyer.

Wichtigstes Feature: Lesen

Stattdessen lese ich nun „Madame Bovary“, denn hier klappt alles problemlos. Und ich bin angetan: Das Schriftbild ist sauber und kann sowohl in Schriftart und -größe noch angepasst werden.

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Das Versprechen: Auch wenn ich älter und meine Augen mal schlechter werden, ich werde nicht auf Großdruckbücher angewiesen sein!

Der Tolino schmeichelt den Augen, selbst mit Hintergrundbeleuchtung. Beim Blättern das für E-Ink-Displays typische Flackern stört mich zwar entgegen aller Voraussagen auch nach längerer Zeit noch, ansonsten ist der Tolino absolut auch für den Dauereinsatz geeignet. Auch gegen starke Sonneneinstrahlung kann er gegenhalten. Lesezeichen setzen, bei Facebook teilen, den Text durchsuchen: alles wunderbar. Notizen lassen sich leider keine hinzufügen, insbesondere bei Fachbüchern fehlt diese Funktion wirklich. Der Akku hält für 36.000 Seiten bzw. 40 Stunden bei eingeschalteter Beleuchtung (Werksangabe). Das genügt sogar für 2 Wochen Campingurlaub.

Nichts zu meckern: Lesen geht super

Nichts zu meckern: Die Leseansicht ist aufgeräumt und nützlich, die Bedienung intuitiv

Weitere E-Books kommen per Thalia-Shop auf den Reader. Hat man den vorher bei Hugendubel oder Weltbild gekauft, sind jeweils deren Shops voreingestellt. Das lässt sich aber anpassen, so kommt man problemlos auch an Fachbücher, z.B. von O’Reilly. Außerdem kann man bereits vorhandene E-Books per mitgeliefertem USB-Kabel auf den Reader laden. Der Reader akzeptiert die Formate PDF und EPUB, die Dateien können auf rund 2 GB verfügbarem (!)  internen Speicher abgelegt werden. Dieser Platz kann mit einer (zusätzlich zu erwerbenden) Speicherkarte erweitert werden – oder man nutzt die Telekom Cloud.

Reader statt Büchertasche?

Eindeutig ja, unter anderem wegen der Hintergrundbeleuchtung: Endlich nicht mehr abhängig von diversen Leselampen (-funzeln) bzw. Tageslicht! Auch Eltern freut die Möglichkeit, nachts ohne weitere Beleuchtung lesen zu können und damit kein Kind aufzuwecken.

Für die Urlaubssaison (und natürlich auch danach) sind dies 99 gut investierte Euros. Statt schwerer Büchertasche mit naturgemäß begrenzter Auswahl kommt nun ein gerade mal knapp 190 Gramm leichtes Gadget ins Gepäck – mit dem Zugang zu Tausenden Büchern.

Anders sieht es beruflich aus: Bin ich da auf Reisen, entscheide ich mich üblicherweise schon zwischen iPad und Notebook  – ein zusätzliches Gadget scheidet aus. Macht aber nichts, wenn man auf DRM-freie E-Books wie von O’Reilly zurückgreift, denn die lassen sich problemlos vom Reader zu allen Endgeräten transportieren. Dennoch: Für den Einsatz in Job oder Studium eignet sich der Reader aus meiner Sicht nicht – es fehlen schlichtweg die Möglichkeiten, Notizen und Markierungen zu machen oder die eigenen Bücher individuell zu sortieren.

Fazit

Guter Preis, einfache Bedienung, Standardformate: Mit dem Tolino Shine erhält man ein sehr nützliches Lesegerät, das sich vorrangig in der Freizeit bewährt. Allein die Vorstellung, künftig in allen Situationen – im Wartezimmer, im Zug, vorm Schlafengehen – quasi unbegrenzt Bücher mit sich zu haben, ist absolut verlockend. Auch wenn so der große Büchertausch ausbleibt und die Familienurlaube nicht mehr die Erklärung „das war 1995 in Österreich, als wir alle den Ingrid-Noll-Krimi durchgeschmökert haben“ bekommen. ;-)

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