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Komische Maschinen, seltsame Abkürzungen: Ein anderes Buch über Künstliche Intelligenz

Alle reden über KI. Alle nutzen KI (bei der Suche im Netz, beim Online-Shopping, beim Streaming, bei der Navigation, beim Übersetzen von Texten …). Die wenigsten verstehen etwas von KI. Und diejenigen, die mehr Plan haben, schreiben zwar ganz gerne über KI, argumentieren dabei aber oft sehr technisch, philosophisch – oder gar sperrig. Einen anderen Weg der Aufklärung geht Janelle Shane, promovierte Elektroingenieurin, KI-Expertin und zur Zeit Optikforscherin in Colorado: In ihrem Buch „Künstliche Intelligenz – Wie sie funktioniert und wann sie scheitert“ nähert sie sich dem Thema mit Humor.

„I write about the sometimes hilarious, sometimes unsettling ways that machine learning algorithms get things wrong“, so das Mission Statement der Amerikanerin.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit kann man seit einigen Jahren im wirklich feinen Blog AI Weirdness nachlesen, Ende 2019 folgte dann Shanes erstes Buch: You Look Like A Thing And I Love You. Für alle, die sich über diesen so seltsamen wie brillanten Titel wundern: Es handelt sich um einen angeblich idealen Anmachspruch, den sich ein von der Autorin aufgesetztes KNN (künstliches neuronales Netz) ausgedacht hat.

Künstliche Intelligenz Buch
Basisfrage: Wann kann die KI eine Aufgabe lösen, und wann sollte dies besser der Mensch tun? Aus: „Künstliche Intelligenz – Wie sie funktioniert und wann sie scheitert“, 2021.

Künstliche Intelligenz, menschlicher Witz

Nun gibt es Shanes von den Feuilletons und Fachmedien gelobten US-Bestseller endlich auch auf Deutsch. Hierzulande findet man das Buch (aus Gründen) unter dem eher nüchternen Titel: Künstliche Intelligenz: Wie sie funktioniert und wann sie scheitert. Eine unterhaltsame Reise in die seltsame Welt der Algorithmen, neuronalen Netze und versteckten Giraffen. Der so wichtige Humor ist aber definitiv erhalten geblieben, was ich hier kurz illustrieren möchte.

In der Einleitung berichtet Shane unter anderem so von ihren Experimenten mit einem Bilderkennungsalgorithmus: „Einmal habe ich einer KI (…) ein Bild von Darth Vader gezeigt und gefragt, was sie sieht. Sie behauptete, Darth Vader sei ein Baum, und versuchte dann, mit mir darüber zu diskutieren.“ 

Und im Kapitel „Was ist KI“ widmet sie sich ausführlich der Genese eines KNN, das schlechte „Knock Knock“-Witze erzählt. Eine frühe Perle:

„Klopf klopf.
Wer ist da?
Wern
Hane wer?
Glarm sind dann denen da.“

Ebenfalls schön und dem gleichen Kapitel entnommen ist der KI-generierte Name einer neuen Vogelart: „Isländischer Schnickschnackschnuck“.

Die Wechselwirkung Mensch-Maschine

Aber Janelle Shane macht nicht nur Quatsch, sie erklärt auch Fachbegriffe und fasst beispielsweise in leicht verständlicher Sprache zusammen, was Pseudo-KI ist oder wie sich KI von regelbasierter Programmierung unterscheidet. Darüber hinaus weist sie immer wieder daraufhin, welche Probleme KI (beziehungsweise: falsch angewendete und/oder auf fragwürdigen Daten basierende KI) nach sich ziehen kann. Als Beispiel sei hier nur der gleich in Kapitel 1 diskutierte KI-Einsatz bei Bewerbungsverfahren genannt. Erkenntnis: Die Chancen sind leider nicht gering, dass eine unbedarft gefütterte Maschine zunächst mal wie ein alter weißer Mann agiert (mit allen Konsequenzen, die man in der schönen Welt der „objektiven“ und „neutralen“ Super-Algorithmen doch eigentlich überwinden wollte).

Warum und wie letztlich alles von den Lerndaten abhängt, erklärt Janelle dann noch mal ausführlich in Kapitel 4. Der Rest des Buchs widmet sich einer Vielzahl weiterer KI-Fragen:  Wie lernen Maschinen denn nun eigentlich? Für welche Aufgaben sind sie geeignet? Worum geht’s wirklich bei KI?  Wie hackt eine KI die „Matrix“?  Wie und warum nimmt sie merkwürdige Abkürzungen?  Wie unterscheidet sie sich von einem menschlichen Hirn?  Wo findet man keine KI?  Wie sieht eine Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine aus?

Wo scheitern die Roboter? Offensichtlich: an Treppen. Nicht ganz so offensichtlich: immer da, wo zutiefst menschliche Eigenschaften (zum Beispiel Empathie) für die Erfüllung der Aufgabe notwendig sind.

KI-Futter, KI-Hype, KI-Realität

Stets wiederkehrende (und bereits am Anfang des Buchs vorgestellte) Kernthesen der AI Weirdness nach Janelle Shane lauten dabei:

  • „Die Gefahr ist nicht, dass eine KI zu schlau ist, sondern dass sie nicht schlau genug ist.
  • Die ‚Intelligenz‘ einer KI entspricht ungefähr der eines Wurms.
  • KI versteht die zu lösenden Probleme nicht wirklich.
  • Aber: Eine KI macht genau das, was Sie ihr sagen. Zumindest versucht sie, ihr Bestes zu geben.
  • Die KI geht den Weg des geringsten Widerstands.“

Apropos geringster Widerstand: Trotz des leicht nervigen Hypes ist KI tatsächlich eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. KI wird gerade global ausgerollt, in nahezu allen Branchen und Gesellschaftsbereichen. Es wäre also gut, etwas mehr über Potenzial, Gefahren und Idiosynkrasien von KI zu lernen. Und wer das auf unterhaltsame, aber nie oberflächliche Weise tun will, der ist mit dem Buch von Janelle Shane gut beraten. Oder um noch mal das neuronale Netz sprechen zu lassen:

„Hey Baby, du musst ein Schlüssel sein. Denn ich kann dein Tuten ertragen.“


Linktipps

Mehr zum Thema KI & Machine Learning lest ihr auch hier im oreillyblog:

… und immer eine gute Idee ist die Machine-Learning-Folge unseres Podcasts „Kolophon“ von und mit Tim Pritlove.


Über das Buch „Künstliche Intelligenz“

Künstliche Intelligenz – Wie sie funktioniert und wann sie scheitert
Eine unterhaltsame Reise in die seltsame Welt der Algorithmen, neuronalen Netze und versteckten Giraffen

Von Janelle Shane
250 Seiten, 2021
Print: 22,90 € (D), E-Book: , Bundle
:
Erhältlich bzw. bestellbar in allen On- und Offline-Buchhandlungen sowie unter oreilly.de.

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