Turing-Test, der Voight-Kampff-Test aus „Blade Runner“, die Gesetze der Robotik von Asimov: Schon lange machen wir uns Gedanken darüber, wann eine künstliche Intelligenz im Denkvermögen mit einem Menschen vergleichbar ist.
Und man sollte meinen, die Science-Fiction hätte alle Spielarten davon schon seit Jahrzehnten durchexerziert, aber neue Lebenswirklichkeiten, Bots, die Tweets verfassen oder sich sogar miteinander in Endlosschleifen unterhalten, Machine Learning von Apps und Spracherkennungen wie Alexa, Siri, Cortana und Co. haben eine neue Generation von KI-Geschichten ins Leben gerufen. Dass „Blade Runner“ eine Fortsetzung erhalten hat, ist sicher auch der Tatsache geschuldet, dass im Moment halt einfach jeder erfolgreiche Film der 80er eine Fortsetzung erhält – aber die Zeit schien auch geradezu nach einem Update zu schreien.
„Brauchst du noch was?“ – „Gleichberechtigung!“
Selbst in „Star Wars“, das immer eher unreflektiert mit seinen Maschinen umgegangen ist, wird kritisch hinterfragt, was die sich entwickelnde Intelligenz und Empathie einer Maschine mit ihren Rechten macht – in „Solo“ sieht man zum ersten Mal auf der großen Leinwand etwas, das Star Wars bislang nur in Comics und am Rande erwähnt hat: die Bewegung für Droidenrechte! Lando Calrissians Droidin L3-37 ist nicht nur der erste weiblich gecodete Droide mit einer größeren Rolle, sondern befreit außerdem ihre Droiden-Brüder und -Schwestern aus der Sklaverei der Programmierung und entzündet eine Revolte auf einem Minenplaneten. Dass ihr Besitzer dennoch nebensächlich erwähnt, er könne ihren Speicher jederzeit löschen lassen, lässt das Machtgleichgewicht natürlich wieder prekär kippen – er duldet ihre Revolte nur, letztlich dominiert immer noch der Mensch über die Maschine, und letztere ist der Sklave einer neuen Ära … oder etwa nicht?
These violent delights lead to violent ends…
In „Westworld“, der HBO-Western-Near-Future-Serie, deren zweite Staffel mittlerweile in den USA und bei Sky ausgestrahlt wurde, erreichen die KIs in ihren lebensechten, jedoch künstlichen Körpern eine ganz neue Entwicklungsstufe: Anders als in „Blade Runner“, in dem die Replikanten nichts sehnlicher wünschen, als als Menschen durchzugehen, streben ihre „Geschwister im Geiste“, die äußerlich lebensechten Westworld-Hosts, nicht mehr danach, wie Menschen zu sein. Die erwachte Dolores glaubt, dass die Hosts diese Stufe längst hinter sich gelassen haben. Nun sind sie mehr – und ihr ganzer Daseinszweck ist im Gegenteil, dass Menschen so sein wollen wie sie. „Westworld“ ist ein heimtückisches, hintersinniges Meisterstück, und zudem mit seinen vielfältigen Frauenfiguren eine der ersten wahrhaft gleichberechtigten, nein, feministischen Genre-Serien – ein Muss für jeden Geek!
Eine weitere Serie, die sich staffelweise mit der Entwicklung von KIs beschäftigt, ist tatsächlich „Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.“. Viele Serienjunkies haben Staffel 1 gesehen, maximal noch Staffel 2 – aber die älteste Serie des MCUs besticht in jeder Staffel mehr, und es lohnt sich, am Ball zu bleiben. Transhumanisten-Wissenschaftler Holden entwickelt mit S.H.I.E.L.D.-Ingenieur Fitz eine KI – Aida, frei nach Ada Lovelace –, die nur eine Möglichkeit sieht, Asimovs 1. Gesetz der Robotik (ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird) einzuhalten und trotzdem nach Herrschaft über die ihr anvertrauten Menschen zu streben: Sie lädt alle, die ihr in die Quere kommen, in eine alternative, eine virtuelle Realität hoch, in der sie sich damit beschäftigen, in einem von der „Schurkenorganisation“ Hydra dominierten Version unserer Welt zu überleben oder sogar systemkonform Karriere zu machen. Ein Roboter, die eigenes Worldbuilding betreibt, um „ihre“ Menschen in einer alternativen Realität zu beschäftigen – eine hervorragende Idee und absolut spannende Unterhaltung.
Und am Schluss noch ein Buchtipp!
Wer lieber nach einem guten Buch greifen möchte: Ann Leckies „Die Maschinen“ ist ein Roman über eine KI, deren Bewusstsein auf zahllose Körper und ein Raumschiff aufgeteilt ist. Dabei handelt es sich jedoch weder um Near Future noch um Cyberpunk, sondern eher um eine klassische Space Opera, die jedoch aus der Sicht einer KI beschrieben wird, die alle auftretenden Menschen erst einmal als weiblich identifiziert. Was das mit Sprache und Imagination macht, ist hochspannend – und das Thema KI sowieso.
Viel Spaß mit künstlichen Intelligenzen!
Judith C. Vogt
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