Als ich Ingemar Reimer im vergangenen Jahr kennenlernte, war ich verblüfft, wie anschaulich der zertifizierte Google-Partner das Werben mit AdWords-Kampagnen erklären konnte. Seit diesem Sommer nun liegt sein „Buch zu Google AdWords“ vor, in dem er uns durch den Dschungel aus Such- und Displaynetzwerk, Keywords und Qualitätsfaktor geleitet. Anlässlich dessen traf ich mich erneut mit Ingemar – in einem Aachener Café und wieder mit vielen Fragen von meiner Seite. Hier kommen die Antworten.
Ingemar, erstmal Glückwunsch zum Erscheinen des Buchs und herzlich Willkommen im O’Reilly-Autorenteam!
Dankeschön!
Der geübte Websurfer wird AdWords spielend von organischen Suchergebnissen unterscheiden können. Steht er ihnen auch skeptischer gegenüber? Wie schätzt Du das ein, werden organische Suchtreffer von den Websurfern nicht nach wie vor als glaubwürdiger eingeschätzt?
Ich denke, dass jeder Nutzer sich diesbezüglich seine eigene Sensibilität aufbaut. Klar können die meisten Leute organische Treffer von AdWords unterscheiden. Aber wenn eine Anzeige wirklich gut formuliert ist und den Nutzer mit ihrem Angebot anspricht, ist es durchaus realistisch, dass dieser die Anzeige auch anklickt.
Ich selbst mache das auch: Wenn ich ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung suche und noch gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, achte ich auch auf AdWords-Anzeigen. Ich gehe davon aus, dass derjenige, der Geld ausgibt, um ein Produkt zu bewerben, dieses auch haben wird. In organischen Suchtreffern hat man dagegen ja viele Forenbeiträge und allgemeinere Websites dabei.
Die Skepsis der Webuser ist aber verständlich, schließlich zahlen werbende Unternehmen für ihre Sichtbarkeit. Einige Unternehmen stehen bei den organischen Treffern ohnehin oben und schalten dennoch zusätzlich AdWords, zum Beispiel um den Wettbewerb zu verdrängen, mehr Platz einzunehmen und eine höhere Aufmerksamkeit zu erzielen. Eine Kombination aus beidem ist sicher die erfolgsversprechendste Strategie.
Also ist es aus Deiner Sicht für Unternehmen sinnvoll, AdWords zu schalten?
Man sollte es zumindest ausprobieren – auch wenn man schon sehr weit oben im Google-Ranking ist – und dies entsprechend auswerten. Man landet ja nicht mit jedem Keyword ganz oben auf Platz 1. Je nachdem wie die Suchanfrage aussieht, rutscht der organische Treffer durchaus weiter hinunter. AdWords geben die Gelegenheit, dies auszugleichen.
Wie lange sollte ein Unternehmen mindestens mit AdWords experimentieren?
Um aussagekräftige Daten zu bekommen, plant man etwa zwei, drei Wochen zum Testen ein. In diesem Zeitraum hat man genügend Information gesammelt:
- Welche Anzeigenposition habe ich erreicht?
- Wie viele Klicks habe ich erreicht?
- Wie oft wurde meine Anzeige eingeblendet?
- Welche Klickrate resultiert daraus?
- Habe ich auf meiner Website eine Conversion erzielt, sprich: Hat der Kunde das gemacht, was ich von ihm erwarte? Hat er zum Beispiel das Kontaktformular ausgefüllt oder etwas gekauft?
Anzeigen brauchen immer etwas Anlaufzeit. Nehmen wir als Beispiel das Conversion Tracking: Klickt der Kunde heute auf eine Anzeige und kauft aber erst 30 Tage später etwas, kann ich immer noch messen, dass der Kauf seinen Anfang bei der Google-Anzeige fand. Man muss dem also etwas Zeit geben.
Welche technischen Voraussetzungen gibt es denn?
Zunächst nur Google AdWords und seine eigene Website, damit kann man das ganz rudimentäre System nutzen. Kommt Conversion Tracking hinzu, muss ich einen Codeschnipsel auf der Website einbauen, die ich messen will. Bei Online-Shops wird dieser typischerweise auf der Kaufbestätigungsseite „Vielen Dank für Ihre Bestellung“ eingesetzt. Dann kann ich sogar den Wert des Warenkorbs messen. So sehe ich ganz klar: Wie viel Geld habe ich ausgegeben? Und wie viel Geld habe ich eingenommen?
Der kleine Einzelhändler könnte sich als Ziel setzen, dass jemand die Seite mit den Öffnungszeiten anklickt. Dann hat sich die AdWords-Anzeige gelohnt, er hat den Anhaltspunkt, dass der Kunde tatsächlich im Laden vorbeikommen möchte.
Ein ziemlich konkreter Anhaltspunkt …
Ja, genau. Und im Zusammenspiel mit Google Analytics kann ich zusätzlich auswerten, wie lange jemand auf der Website war. Ob jemand direkt wieder abgesprungen ist oder über zwei Minuten auf der Website gelesen hat, sagt natürlich auch etwas über die Qualität der Besuche aus.
Du bringst dazu die Beispiel-Suchanfrage nach einem Urlaub auf Sardinien. Wenn ich diese Suche durchführe, sehe ich auf der ersten Seite deutlich mehr bezahlte als organische Treffer. Das wird für Unternehmen richtig teuer, wenn sie sich hier zwischen bzw. vor die Konkurrenten setzen zu wollen, oder?
Ja, man muss ganz klar sagen, dass es hart umkämpfte Bereiche gibt. Ich bin bei verschiedenen Kunden schon über Keywords gestolpert, für die man viel zahlen muss – etwa drei bis vier Euro pro Klick. Man versucht dann, Nischen zu finden. Man arbeitet mit einer Keyword-Kombination oder schließt bestimmte Keywords aus. Ein Unternehmen, dass ein Produkt verkaufen möchte, könnte beispielsweise „mieten“ ausschließen. So verbessere ich die Treffgenauigkeit meiner Keywords.
Abgesehen davon sind die AdWords-Kosten stark branchenabhängig, bei Versicherungen und im Automobilbereich legt man beispielsweise viel Geld auf den Tisch. Aber auch da kann es je nach Geschäftsbereich variieren. Die Ziele sollten sein, Nischen zu finden und auf qualitativ gute Kunden zu setzen, statt viele Klicks zu erzielen.
Google-AdWords tauchen auch außerhalb der Suchmaschine auf anderen Websites auf. Kannst Du uns kurz den Unterschied zwischen Such- und Displaynetzwerk erklären? Können Unternehmen die Werbekampagnen in beiden Netzwerken getrennt durchführen?
Das Suchnetzwerk bezieht sich grundsätzlich auf die Google-Suche und deren Partner. Vorteil: Ich habe einen Nutzer, der schon sehr konkret weiß, was er will. Er sucht etwa „Digitalkamera Nikon günstig kaufen“ – und ich kann ihm in meiner Anzeige ein gutes Angebot machen, wie „Nikon mit kostenlosem Zubehör“. So ist es sehr wahrscheinlich, dass er auf meine Anzeige klickt.
Das Displaynetzwerk wird vom Google Adsense-Netzwerk gespeist. In diesem Programm können Websitebetreiber Anzeigen in ihren Foren, Blogs bzw. auf ihrer Seite schalten. Im Displaynetzwerk treffe ich Leute, die in diesem Moment vielleicht nicht konkret nach meinem Produkt suchen. Aber: Ich kann im richtigen Umfeld für mein Produkt Werbung machen.
Einer meiner Kunden beispielsweise bietet ein Vermittlungssystem für Taxizentralen. Zu diesem Produkt haben wir eine Displaynetzwerk-Kampagne eingerichtet. Als es dann kürzlich viele Artikel rund um die App „Uber“ gab, schafften wir es damit plötzlich auf einige große Seiten, allein, weil der Text unserer Anzeige natürlich zum Kontext der Artikel passte. Die so platzierte Bannerwerbung brachte an einem Tag mit starker Berichterstattung zu Uber auch deutlich mehr Klicks auf die Website meines Kunden. Das hat also richtig etwas gebracht …
… weil die Wahrnehmung der Marke gestiegen ist …
Genau: Es gibt Menschen, die hohes Interesse an der Taxibranche haben – und während sie Artikel darüber lesen, stolpern sie über passende Anzeigen.
Wenn ich so etwas als Unternehmen umsetzen will: Such- und Displaynetzwerk sind aber zwei unterschiedliche Kampagnentypen?
Ja – und ich empfehle grundsätzlich, getrennt zu werben, da ich den Kunden jeweils in unterschiedlichen Situationen erwische. Der eine Kunde ist etwas weiter in seiner Kaufentscheidung, der andere muss vielleicht noch auf das Produkt aufmerksam gemacht werden.
Außerdem habe ich im Suchnetzwerk ja nur Texte zur Verfügung, während ich im Displaynetzwerk auch mit Grafik arbeiten kann. In einem Banner kann ich eine Werbebotschaft naturgemäß besser transportieren als in einer Textanzeige.
Und ich kann im Displaynetzwerk noch feiner justieren, z.B. kann ich die Anzeigendarstellung begrenzen auf Menschen, die sich für eine bestimmte Automarke interessieren. Oder die männlich sind und einer bestimmten Altersgruppe angehören.
Dein Buch richtet sich vorrangig an Einsteiger in Google AdWords. Vor welchen Hürden stehen diese gewöhnlich – welche Erfahrungen hast Du und welchen Rat gibst Du ihnen mit?
Am Anfang steht das Interface, in das man sich erst einmal einarbeiten muss. Solange ich nicht weiß, wo ich welche Daten finde und am Ende auswerte, fehlen die Grundlagen. Deshalb habe ich ein Kapitel geschrieben, in dem ich ausführlich das Interface erkläre. Es ist wichtig, die Struktur von Google AdWords zu verstehen: Welche Ebenen gibt es, wie sind diese aufgebaut, wo kann ich meine Kampagne optimieren?
Außerdem sollte man sich schnell mit dem Qualitätsfaktor auseinandersetzen. Der war früher ein Buch mit sieben Siegeln, aber inzwischen gibt Google einige Anhaltspunkte für den Erfolg meiner Anzeige – und was ich an ihr noch verbessern sollte. Ratsam ist es, die Nutzererfahrung im Blick zu behalten: Passen die Keywords zur Anzeige? Und passt das Versprechen der Anzeige wiederum zur Website?
Man sagt auch: Die schlechteste Landingpage von einer Anzeige ist die Startseite. Der Kunde sucht nach einem konkreten Produkt und ich lasse ihn auf einer Startseite aufkommen, von der er seine Suchanfrage erneut absetzen muss. Das Verständnis für „Wie sollte meine Website aussehen? Wie sollte ich meine Anzeigen formulieren und gestalten, dass diese auch zur Website passen“ muss also bei jedem Unternehmen erst einmal da sein.
AdWords-Einsteiger sollten sich also erst einmal mit dem Interface und dann mit dem Weg, den der Kunde nimmt, beschäftigen?
Genau – und man muss sich dabei Ziele setzen. Was will ich erreichen? Wen will ich ansprechen? Wie will ich denjenigen ansprechen, also wie muss ich formulieren? Die Reihenfolge ist:
- Keywordlisten aufbauen – ausgehend vom Produkt, das ich bewerben will,
- mehrere dazu passende Anzeigen texten (dabei immer den Nutzer im Hinterkopf behalten),
- und dann einfach ausprobieren!
Das Schöne an AdWords ist ja, dass ich verwertbares Zahlenmaterial bekomme. Ich sehe ganz genau, wie erfolgreich meine Anzeigen jeweils waren und kann dann gezielt verbessern. Dazu muss ich nicht zwingend den Klickpreis erhöhen. Aber ich hatte beispielsweise mal einen Kunden, der wesentlich mehr Conversions hatte, wenn er auf den obersten drei Plätzen abgebildet war. Nach einigen Versuchen fand er heraus, dass er nur 3 Cent pro Klick mehr zahlen muss, um seine Anzeige öfter auf den ersten drei Plätzen zu platzieren. Diese Erkenntnisse erhält man natürlich erst, wenn man eine Weile herumprobiert hat. Und übrigens auch akzeptiert, dass nicht jede Idee zündet.
Klingt auch nach einer zeitintensiven Aufgabe …
Allerdings. Gerade bei einer neuen Kampagne rate ich, wirklich täglich in AdWords hineinzuschauen. Nur so kann man optimieren.
Gibt es auch Erkenntnisse, welche Rolle der Zeitpunkt einer Suchanfrage spielt? Suchen die Menschen zum Beispiel vorwiegend montagmorgens nach Scheidungsanwälten? Oder ist donnerstags die Kinowerbung teurer?
Es gibt eine Statistik in AdWords, die mir den Tagesverlauf von 0 bis 24 Uhr anzeigt. Ich kann damit zu Beispiel ganz klar sehen, dass nachts die Aktivität geringer ist. Dann könnte ich diesen Zeitraum auch von der Schaltung ausklammern. Das ist zum Beispiel für den Einzelhandel interessant, der nachts ohnehin nicht geöffnet hat. Oder den Handwerker, der eine Notfallhotline anbietet: Er schaltet seine Anzeige natürlich nur dann, wenn auch jemand am Telefon sitzt. Indem man Randzonen herausnimmt, kann man Geld sparen.
A propos: Gibt es ein bestimmtes Startbudget, was man sich blocken sollte?
Das ist natürlich sehr branchen- und wettbewerbsabhängig. Das Keyword-Tool von Google AdWords hilft dabei, den Preis für eine Anzeige herauszufinden. Wenn die zu erwartenden Kosten das vorgenommene Budget schon nach drei oder vier Klicks sprengen, ist es unter Umständen besser, erst einmal an anderen Baustellen zu arbeiten und später auf eine AdWords-Kampagne zurückzukommen. Aber letztlich gibt jedes Unternehmen sein Budget selbst vor …
… und schaut dann, wie weit man mit dem zur Verfügung stehenden Geld kommt?
Genau – hier muss man seine Nischen finden. Und die Keywords identifizieren, die hohe Conversions bringen. Diese kann man dann noch verstärken, während man andere Keywords, die nur angezeigt, aber nicht angeklickt werden, auch wieder aufgibt.
Zu guter Letzt: Kannst Du das Bücherschreiben weiterempfehlen? Hat es Dich viele Nächte gekostet? :-)
Es hat mich das DEL-Finale gekostet ;-) Klar, es ist schon aufwendig, darüber sollte sich jeder im Klaren sein – gerade wenn man einen Hauptjob hat und das Schreiben in die Freizeit verlegen muss. Es gab ein Wochenende, an dem ich ein ganzes Kapitel geschafft habe, manchmal habe ich aber auch nur zwei Seiten geschrieben. Es ist also schon eine Herausforderung, aber jetzt, wo alles erledigt ist, habe ich ja auch wieder mehr Zeit. Wenn man mich also wieder mal fragen würde …
… würdest Du den Abgabetermin nicht mehr ins Eishockeyfinale legen?
Genau – es geht nichts über ein gutes Zeitmanagement :-)
Ingemar, ich danke für das Gespräch.
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