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Chaos mit System: Die Versionspolitik von Joomla!

Nutzer des beliebten Content-Management-Systems Joomla! dürften sich in den letzten Monaten wie in einem Boxring gefühlt haben: In unglaublicher Geschwindigkeit läutete das Entwicklerteam immer neue Runden ein, wobei das Nummerngirl scheinbar wirre Zahlen präsentierte. Doch auch wenn man es auf den ersten Blick nicht glauben mag: Hinter den merkwürdigen Versionsnummern steckt ein System. Tim Schürmann, der für O‘Reilly unter anderem die Bücher Praxiswissen Joomla! und Joomla!-Websites erweitern und optimieren verfasst hat, bringt Licht ins Dunkel.

Jeder neuen Joomla!-Version verpassen die Entwickler eine dreiteilige Nummer, wie etwa 1.0.14. Ursprünglich sollte die Erhöhung der vordersten Zahl große Neuerungen anzeigen, die zweite auf kleinere Verbesserungen gegenüber der Vorversion hinweisen und die hintere Fehlerkorrekturen und Sicherheitsaktualisierungen signalisieren. Ist die Ziffer an der letzten Stelle eine „0“, schreibt man sie normalerweise nicht mit aus. Diese klaren, einheitlichen Regeln galten allerdings nur ein paar Monate.

Direkt nachdem Joomla! 1.0 erschienen war, begannen die Entwickler, den Unterbau des Content-Management-Systems komplett umzukrempeln. Die Änderungen wurden schließlich so umfangreich, dass man sich entschloss, die Versionsnummer an der zweiten Stelle gleich mehrfach hochzuzählen und das Ergebnis Joomla! 1.5 zu taufen. Die Entwicklung hatte bis dato fast drei lange Jahre gedauert – im Internetzeitalter eine Ewigkeit.

Die neue Dynamik

Auch die Arbeiten an der nächsten Version zogen sich in die Länge. Es wollten einfach zu viele neue tolle Funktionen eingebaut und getestet werden. Zahlreiche Nutzer wurden ungeduldig und fragten immer wieder nach einem Erscheinungstermin, glaubten sogar teilweise, Joomla! sei aufgegeben und in der Versenkung verschwunden. Um schneller Ergebnisse liefern zu können, entschlossen sich die Joomla!-Entwickler zu einem radikalen Schnitt. In Anlehnung an die Entwicklung der Browser Chrome und Firefox frieren sie zukünftig alle sechs Monate den Status Quo ein und veröffentlichen ihn als neue Joomla!-Version. So kam es, dass im Januar 2011 Joomla! 1.6 auf den Markt kam und bereits im Juli desselben Jahres die Version 1.7 erschien. Durch dieses hohe Releasetempo können die Entwickler wesentlich flotter auf geänderte Anforderungen reagieren, während gleichzeitig neu eingeführte Funktionen schneller zu den Anwendern gelangen.

Mit jeder neuen Joomla!-Version gelten jedoch alle vorherigen als veraltet, Fehler werden nicht mehr korrigiert. Als Seitenbetreiber ist man folglich dazu verdammt, sein laufendes Content-Management-System alle sechs Monate zu aktualisieren. Auch Buchautoren können dieses schnelle Rennen nur verlieren: Die neue Auflage muss geschrieben werden, ein Fachlektorat überstehen und dann durch die Druckpressen laufen – bis die Bücher im Regal der Buchhandlung stehen, sind sie auch schon wieder veraltet. Ähnlich ergeht es den Entwicklern von Erweiterungen, die ihre Komponenten, Module und Templates immer erst mühsam an jede neue Version anpassen müssen.

Einführung des Long Term Support

Das Joomla!-Team versprach deshalb, ausgewählte und entsprechend gekennzeichnete Joomla!-Versionen über 18 Monate lang mit Aktualisierungen zu versorgen. Dies gilt derzeit für das bekannte und stabile Joomla! 1.5. Bei ihm wollen die Entwickler noch bis zum Frühling 2012 Sicherheitslöcher stopfen und Fehler korrigieren. Diesen so genannten Long Term Support soll als nächstes auch die Joomla!-Version 1.8 erhalten, die für Januar 2012 angekündigt ist.

Nun wäre es aber nicht schlecht, wenn die Anwender schon auf einen Blick erkennen könnten, dass es sich um eine Version mit Langzeitunterstützung handelt. Die Version 1.5 besitzt diesen Long-Term-Support – also wäre es nur konsequent, grundsätzlich allen Versionen mit Langzeitunterstützung eine 5 an der zweiten Stelle zu verpassen. Damit müsste die nächste Version im Januar aber Joomla! 2.5 heißen. Alle Nummern dazwischen würden übersprungen. Da dies ein ziemlich radikaler Schritt wäre, ließ das Entwicklerteam die Anwender darüber abstimmen. Das Ergebnis lässt sich unter http://community.joomla.org/s/leadership/1479-the-version-votes-are-in.html bestaunen: Die nächste Version wird tatsächlich Joomla! 2.5 heißen. Damit ist die Verwirrung nun komplett: Auf die Version 1.0 folgten 1.5, 1.6 und 1.7, im Januar kommt schließlich Joomla! 2.5.

Hier noch mal alle Joomla!-Versionen im Überblick:

Version Erscheinungsdatum Anmerkung
1.0 September 2005 Erste Joomla!-Version
1.5 Januar 2008 Große Umbauten unter der Haube, nicht kompatibel zur Version 1.0
1.6 Januar 2011 Ab jetzt jedes Halbjahr eine neue Version
1.7 Juli 2011 Enthält gegenüber der Version 1.6 vor allem Fehlerkorrekturen
2.5 Januar 2012 Neue Version mit Langzeitunterstützung

Aktuelle Versionen:

Version Erscheinungsdatum Anmerkung
1.5.25 November 2011 Letzte stabile Variante von Joomla! 1.5 mit Langzeitunterstützung, geeignet für produktive Systeme
1.7.3 November 2011 Aktuelle Version für alle, die immer die neuesten Funktionen nutzen möcht


Was heißt das alles für die Anwender?

Als Webseitenbetreiber sollte man sich ausschließlich auf die Versionen mit Long Term Support konzentrieren. Sie haben den Vorteil, dass sie stabil sind und von den Entwicklern 18 Monate lang mit Sicherheitsaktualisierungen versorgt werden. Damit ergeben sich wiederum folgende konkrete Empfehlungen:

  • wer noch Joomla! 1.5 nutzt, sollte mit dem Umstieg bis zum Januar auf Joomla! 2.5 warten
  • kommt bereits Joomla! 1.6 zum Einsatz, sollte man schleunigst auf Joomla! 1.7 aktualisieren, denn Fehler in der Version 1.6 beheben die Entwickler nicht mehr
  • werkelt Joomla! 1.7 auf einem produktiven Web-Server, sollte man im Januar auf Joomla! 2.5 wechseln und dann möglichst nur noch die Versionen mit Langzeitunterstützung verwenden
  • möchte man einen neuen Web-Server aufsetzen, sollte man noch bis zum Januar 2012 warten; ist das nicht möglich, sollte man jetzt zu Joomla! 1.7 greifen, da die Änderungen zu Joomla! 2.5 überschaubar bleiben und somit wiederum ein Umstieg im Januar leichter fällt

Mit ihrer ziemlich chaotischen Versionspolitik haben die Joomla!-Entwickler reichlich Verwirrung gestiftet. Gerade für die treuen Anwender wäre ein einheitliches Schema wünschenswert, das länger als zwei Jahre bestehen bleibt.

Übrigens orientiert sich auch O’Reilly zukünftig an den Versionen mit Langzeitunterstützung. Die Neuauflage des Bestsellers Praxiswissen Joomla! wird auf Joomla! 2.5 basieren und Anfang nächsten Jahres erscheinen. Die noch erhältliche erste Auflage bleibt bis dahin weiterhin aktuell: Sie fußt auf Joomla! 1.5, dessen Unterstützung erst im April 2012 endet.

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