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Nicht ganz 100 Meisterwerke der Parkhausbaukunst

Sollten künftige Generationen von Archäologen die Spuren unserer dann längst verwehten Zivilisation ausgraben, werden wir ihnen wohl so manches Rätsel aufgeben: von den seltsamen Gegenständen in unseren Schlafzimmern bis zu den rätselhaften Bauwerken mitten im Schutt unserer Siedlungshügel. Wahrscheinlich werden sie glauben, es würde sich bei letzteren um die sakralen Bauten eines religösen Drive-in-Kultes handeln – womit sie der Wirklichkeit vielleicht näher kommen als mit der profanen Wahrheit: dass sie nämlich auf die Reste unserer Parkhäuser gestoßen sind.

Um unseren Nachfahren solche Fehldeutungen zu ersparen, blogge ich mal einige Beispiele origineller Parkmöglichkeiten aus meinem Reisegebiet – denn das Web vergisst ja bekanntlich nichts.

Im Radio habe ich mal folgende Geschichte gehört: Ein Mann betritt eine Bank und verlangt einen nicht unbeträchtlichen Kredit mit ultrakurzer Laufzeit, den er am Abend des gleichen Tages zurückzahlen will. Seinen Luxus-Sportwagen bietet er als Sicherheit an. Der Bankangestellte ist zwar verwundert, geht aber auf das Kreditgeschäft ein, zumal der Mann bereit ist, die horrenden Zinsen zu zahlen. Der Wagen wird in der bankeigenen Garage abgestellt, das Geld an den Kunden ausbezahlt. Am Nachmittag kehrt der Mann wieder, zahlt Kredit nebst Zinsen zurück und will gehen. Da fragt der neugierig gewordene Angestellte, warum er um alles in der Welt einen derart schrägen Kredit abgeschlossen habe. „Ganz einfach,“ sagt der Mann, „für so wenig Geld bekomme ich für einen vollen Tag in der ganzen Stadt keinen bewachten Parkplatz.“

Klar, diese Geschichte kann sich nur in Düsseldorf abgespielt haben, der Stadt mit dem höchsten kommunalen Pro-Zylinder-Einkommen Deutschlands! In meinem Reisegebiet kommt aber Hamburg solchen Verhältnissen schon sehr nahe. Ein City-Parkhaus in den Großen Bleichen ist immerhin so teuer, dass der  Parkscheinautomat neben Euromünzen auch Diamanten annimmt. Und den Trick mit dem Wagen als Kreditsicherheit kennen die Hamburger Banker auch schon. Versuch ist zwecklos – ich hab’s schon ausprobiert. Da bleibt nur ein Tagesticket im Parkhaus am Bahnhof, das mit acht Euro schon in die Tarife des Hamburger sozialen Wohnungsbaus fällt. Allerdings stammt das Parkhaus noch aus der Zeit, als man, um in einen Mini einzusteigen, tief ausatmen und in die Hocke gehen musste, und selbst ein Mercedes 180 kaum größer war als heute ein Polo. Seitdem aber sind die Volumen der Autos offensichtlich mit den Volumen ihrer Fahrer stetig gewachsen, sodass die Stellplätze hier inzwischen so eng sind, dass man zwar parken, aber häufig das Auto anschließend nicht mehr verlassen kann, es sei denn durch die Heckklappe. Hier sind die Besitzer von Limousinen eindeutig im Nachteil, falls sie kein Schiebedach haben. Ansonsten können die ihren Wagen nur vor den Stellplatz fahren und dann vorsichtig hineinschieben. Zum Herausziehen des Wagens aus der Parklücke empfiehlt sich das Mitführen eines Seils, das man dann an die Stoßstange befestigt. In Hamburg wird das Vefahren auch „Tampon-Parking“ genannt.

Was der Kölner Dom für die Gotik in Deutschland, ist die Paderborner Tiefgarage für den Parkplatzbau: Höhepunkt und Vollendung, die Muhme aller Tiefgaragen. Gerüchten zufolge erstreckt sie sich unter ganz Paderborn bis nach Bielefeld und ist damit zwar etwas kleiner als das Nördlinger Ries, aber größer als selbst die Essener Tiefgarage unter dem Kennedyplatz, die immerhin eine solche Ausdehnung hat, dass öfter mal Bergleute durch die Gänge irren, die aus den benachbarten Stollen der letzten Steinkohlezechen durchgebrochen sind.

Die kleinste, mir bekannte Tiefgarage wiederum liegt in Bielefeld unter einer Buchhandlung – es gibt SUVs, die größer sind, was aber deren Fahrer nicht immer von dem Versuch abhält, just dort parken zu wollen. Es ist daher ratsam, sich auf eventuelle Wartezeiten beim Ein- und Ausfahren einzustellen.

Ein weiteres Superlativ in der Welt des Parkplatzbaus ist eine Tiefgarage im katholischen Münster, die so viele Geschosse hat, dass ich schon vermutete, sie sei die kürzeste Verbindung zwischen Deutschland und Neuseeland. Tatsächlich nimmt in den unteren Etagen die Temperatur merklich zu. Sollten Sie leicht verderbliche Lebensmittel im Kofferraum mit sich führen, parken sie lieber nicht in den alleruntersten Geschossen – und erst recht nicht,  wenn sie größere Mengen Mais im Kofferraum befördern. Angeblich gibt es so tief gelegene Etagen, dass von dort noch nie jemand zurückgekehrt ist, man höre aber aus der Richtung unablässiges Wehgeschrei  … aber das sind wohl nur Gerüchte von eifernden Endzeitpredigern, die in Münster eine gewisse Tradition haben.

Ein weiteres Faszinosum deutscher Parkhausbaukunst ist in vielfacher Hinsicht eine Parkgarage in Lübeck. Zunächst einmal, weil es als Pendant zu der berühmten Doppelhaushälfte gelten muss: man kann in das „Parkhaus Mitte“ in der Schmiedestraße reinfahren und es als „Hochgarage am Klingenberg“ in der Marlesgrube verlassen: beide Parkanlagen sind nämlich unterirdisch verbunden. Weiter bietet das Parkhaus Mitte auf der obersten Etage eine wunderbare Aussicht auf die Lübecker Altstadt. Sicher, der Ausblick vom Turm der Petrikirche nebenan ist noch atemberaubender, aber erstens ist der Eintritt kostenpflichtig und  zweitens müssen Sie Ihr Auto ja trotzdem noch irgendwo abstellen, denn obwohl in der Petrikirche keine Gemeinde­gottesdienste mehr stattfinden, ist der Innenraum zum Parken nicht freigegeben. Da können Sie genauso gut mit dem Parkhaus Mitte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Interessant ist an diesem Doppel-Parkhaus auch, dass Ein- und Ausfahrt nicht nur nach einem Prinzip organisiert sind, sondern gleich nach zweien! Das Parkhaus Mitte erklimmt man im alpinen Serpentinen-Stil, um, am höchsten Punkt angelangt, ab dort, im häufig anzutreffenden Bumerang-Stil um die Parkebenen kreiselnd, in die Marlesgrube runterzufahren.

Überhaupt, haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, wieviele aufregende Arten der Auf- und Abfahrt es in Parkhäusern gibt? Ich schon. Neben den eben genannten Bumerangs und Serpentinen gibt es z.B.

  • die „Parallel-Orbitale“: auf einer Parkebene geht es auf einer Außenbahn hoch und auf einer Innenbahn wieder runter (im Münsteraner Parkhaus verkehrt sich das natürlich, wenn Sie bei ca. 6370 Km angelangt sind);
  • die „Zwei Wendeln“: eine wendelförmige Rampe führt auf der einen Seite hoch, eine weitere auf der anderen Seite wieder runter;
  • die „Geiz-Wendel“: hier reichte das Budget des Bauherren nur für eine Wendelrampe, auf der mit Gegenverkehr gerechnet werden muss;
  • den „Dualwirbel“: in einer mittig gelegenen Doppelrampe geht es rechtsrum hoch, linksrum wieder runter (auf der Südhalbkugel wahrscheinlich wieder spiegelverkehrt; Vorsicht also, wenn sie von Münster aus in Neuseeland parken wollen!);
  • die „Doppelhelix“ – diese unser aller Desoxyribonukleinsäure abgeschaute Variante ist die ästhetisch kühnste: zwei Wendelrampen sind so faszinierend ineinander verdrillt, dass man das schwindelerregende Gefühl hat, Auf- und Abfahrt finden auf der gleichen Fahrbahn statt – was sie mitunter tatsächlich tun, wenn jemand vor lauter ästhetischer Faszination auf die falsche Rampe einbiegt.

Zu diesen Hauptvarianten gesellen sich noch einige exotische: in der Bremer Langenstraße z. B. fährt man einmal links, zweimal rechts, lässt sich einmal fallen; und in den eingangs erwähnten Großen Bleichen gibt es eine Organisationsform, die offensichtlich Prinzipien der Quantenphysik gehorcht, jedenfalls ist mir mit meinem begrenzten Denkvermögen noch nicht gelungen, sie zu durchschauen. Ich werde mal eine Katze im Kofferaum mitnehmen, wenn ich nächstens dort wieder parke.

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