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Twitter – vom StartUp zum Newsmedium

Eine kurze Frage („Was tust du?“), eine Antwort in 140 Zeichen – das ist Twitter. Oder besser, das war Twitter, als Jack Dorsey am 21.März 2006 den ersten Tweet abschickte: „just setting up my twttr„. Der Name des Kurznachrichtendiensts war damals noch sehr an Flickr angelehnt, als er von Dorsey und seinen Kollegen Biz Stone und Evan Williams vom Podcasting-Unternehmen Odeo und (wie man erst 5 Jahre später erfahren sollte) Noah Glass entwickelt worden ist.

Heute ist Twitter viel mehr als nur Kurznachrichtendienst  – und mit den Vokalen kamen auch die User, mit den Usern die Unternehmen. Mittlerweile liegt der Fokus nicht mehr auf der Person („Was tust du“), sondern auf der Neuigkeit („Was gibt’s Neues“) – es veränderte die Kommunikation und es veränderte als Newsmedium die Pressewelt.

Doch was geschah in den Zwischenzeit?

Noch nicht einmal vier Monate nach dem ersten Tweet wird Twttr der Öffentlichkeit vorgestellt – zuvor konnten nur Mitarbeiter von Odeo twttrn. Im April 2007 wird dann eine eigene Firma gegründet. Auf dem South by Southwest-Festival in Austin hat Twitter seinen großen Auftritt: Zum ersten Mal werden die Kurznachrichten zu den Konzerten werden auf Großbildschirmen in Echtzeit angezeigt – das verursacht natürlich einen starken Anstieg der versendeten Tweets.

Im selben Jahr bekommt Twitter den Web Award – und bedankt sich stilgerecht in 140 Zeichen: „We’d like to thank you in 140 characters or less. And we just did!

2008 erfährt Twitter große Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit, als Barack Obama Twitter als Medium für seinen Präsidentschaftswahlkampf einsetzt. Er bittet um Spenden, hält seine Unterstützer auf dem Laufenden und verkündet nach seinem Sieg: „We just made history„. Erst später erfährt man, dass er nicht persönlich getwittert hat, sondern twittern ließ.

Am 26. November 2008 wird die Rolle des Newsmediums Twitter zum ersten Mal deutlich. Bei den Terroranschlägen in Mumbai berichten Augenzeugen live von den Tatorten: „Mumbai city, where I live is under seige! Terrorist have gunned down the Anti terrorist Squad chief and encounter specialists.Taken hostages.“ Twitter ist hier schon sehr schnell, doch können die Aussagen nicht verifiziert werden – und so werden die Augenzeugenaussagen vom weiteren Netzgeplauder übertönt.

Das ändert sich schlagartig am 15. Januar 2009 als ein Airbus A320 im Hudson notlanden muss. Während die Kamerateams noch ihre Ausrüstung zusammensuchen, twittert Janis Krums von einer der Fähren, die dem Airbus zur Hilfe kommen ein Foto, das er vom Handy aus gemacht hat: „There’s a plane in the Hudson. I’m on the ferry going to pick up the people. Crazy.

Die Welt ist nicht genug: Denn am 12. Mai 2009 erobert Twitter auch das All. Mike Massimino,auf Twitter bekannt als @astromike, befindet sich an Bord eines SpaceShuttles als er twittert: I’m going to put my spacesuit on, next stop: Earth Orbit!! Kurz darauf verlässt er in einem Raumanzug den Raumgleiter um das Hubble-Teleskop zu reparieren. Seitdem gehört Twittern zu den festen PR-Aufgaben von Astronauten.

Auch in Deutschland schlägt Twitter Wellen. Denn nur wenige Tage später, am 23. Mai 2009 wird ein neuer Bundespräsident gewählt – und 15 Minuten vor der Bekanntgabe des nächstn Bundespräsidenten, kennt die Twitter-Welt schon das Ergebnis. „Leute, Ihr könnt in Ruhe Fußball gucke. Wahlgang hat geklappt.“ schreibt die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner. Ihr SPD-Kollege Ulrich Kelber bestätigt: „Nachzählung bestätigt: 613 Stimmen. Köhler ist gewählt!

Am 15. Juni 2009 war das meistgenutzte Wort auf Twitter #iranelection. Die für jenen Tag geplante Demonstration gegen Ahmadinedschads Sieg bei den umstrittenen Präsidentschaftswahlen war abgesagt worden – und iranische Twitter-Nutzer riefen in der Folge dazu auf, trotzdem auf die Straße zu gehen:“ALL internet & mobile networks are cut. We ask everyone in Tehran to go onto their rooftops and shout ALAHO AKBAR in protest #IranElection„. Blockade und Manipulationsversuche nahmen in den Tagen nach der Präsidentschaftswahl zu, Webseiten wurden gesperrt. Doch via  Twitter tauschte man Links zu Proxy-Servern und alternativen Zugangspunkten zum Internet aus. Twitter selbst reagierte ungewohnt politisch – eine geplante Ausfallzeit wegen Wartungsarbeiten wurde verschoben auf eine Zeit, in der das Unternehmen wenig Aktivitäten aus dem Iran erwartete.

Nicht-Twitterer argumentieren häufig, dass es nicht interessiere, was man morgens gefrühstückt habe, mit welchem Bus man zur Arbeit fahre oder das man endlich Feierabend mache. Das sei doch banal – und mag es für viele auch sein. Doch als Rennfahrer Lance Armstrong am 20. September 2009 über Twitter verkündet „Having breakfast and getting ready to ride. 6 hours today…„, freuen sich viele Fans darüber, dass er zu einer neuen Runde aufbricht. Diese Tatsache nennt Leisa Reichelt „Ambient Intimacy„:“ Ambient intimacy is about being able to keep in touch with people with a level of regularity and intimacy that you wouldn’t usually have access to, because time and space conspire to make it impossible.“ Das gilt natürlich nicht nur für Prominente, sondern auch für den Freund, der gerade durch Australien tourt oder die Schwester, die ein Au Pair-Jahr macht.

Zu Beginn dieses Jahres springt nach den Protesten in Tunesien der revolutionäre Funke auf Ägypten über. Sofort organisieren sich die Netzbewohner: Eine Facebook-Gruppe, in der zu Protesten aufgerufen wird, hat beispielsweise innerhalb kürzester Zeit über 100.000 Mitglieder. Auf Twitter etabliert sich der Hashtag #jan25, dahinter versteckt sich das Datum einer Großdemonstration. Während man im Westen diskutiert, ob der Begriff der „Twitter-Revolution“ gerechtfertigt ist oder nicht, flieht am Ende Mubarak und die Demonstranten sprühen „Twitter“ auf die Rolltore Kairos. In der Fernsehberichterstattung werden immer wieder Menschen mit Plakaten gezeigt, auf denen „Danke Facebook“ steht.

Ob Übermittler von Tweets wie „ich esse jetzt mein Frühstücksbrot“ oder Instrument zum Wandel der Kommunikation – Twitter hat enorme Veränderungen mitgemacht und verursacht. Wo der Weg hingeht, ist unklar. Klar ist allerdings, dieser Kommunikationswandel ist nicht mehr zurückzudrehen. Microblogging wird bestehen bleiben. Twitter hat sozusagen ein Bedürfnis befriedigt, von dem wir gar nicht wussten, dass wir es haben.

P.S.: Für alle diejenigen, die jetzt Lust bekommen haben, einmal selbst Twitter auszuprobieren, denen empfehle ich „Das Twitter-Buch„, das soeben in der aktualisierten 2. Auflage mit vielen deutschen Beispielen erschienen ist.

 

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