Wird man als Entrepreneur geboren – oder eben nicht? Die Antwort liefert MIT-Prof Bill Aulet in unserer Neuerscheinung „Startup mit System“. Ein Buch, das in Gründerkreisen schon längst kein Geheimtipp mehr ist und nun auch auf Deutsch vorliegt.
Wie im Sport: Disziplin und Kampfgeist
Irgendwann Anfang der Achtziger spielte der heutige MIT-Prof Bill Aulet Profi-Basketball in Essex/UK. Er hatte gerade sein Studium abgeschlossen und machte sich bereit: auf eine Karriere als Firmengründer und Chef, als Investor und jemand, in dessen Firmen investiert werden würde (mehr als 100 Millionen Dollar konnte er später generieren). Er lernte, arbeitete, trainierte. Er half Uni-Ausgründungen auf ihre Zielmärkte und gründete selbst. Und wurde schließlich – rund ein Vierteljahrhundert später – Geschäftsführer des Martin Trust Center für Entrepreneurship am MIT und Dozent an der MIT Sloan School of Management. Um dort den besonderen Geist der Gründer und alle für sie wichtigen Skills an Studenten weiterzugeben. Um sie an seinen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Um ihnen Mut zu machen.
Wie geht man an eine solche Aufgabe heran? „Als ehemaliger Profi-Basketballspieler und erfahrener Unternehmer fiel ich auf die üblichen Sport-Analogien zurück: ‚Arbeite hart. Sei mutig. Bleib länger wach. Steh früher auf. Sei vorbereitet. Ich habe mich für den Erfolg entschieden, das solltest Du auch tun!'“, schrieb er 2013 im Wallstreet Journal und ergänzte, damals jedoch einen wirklich schlechten Job abgeliefert zu haben. „Die Studenten bewerteten meinen Unterricht mit Bestnoten, also hielt ich ihn für sehr effektiv. Damit lag ich falsch.“
Denn: es gibt eben keine klare Rezeptur.
Kampfgeist allein bringt Gründer also schon mal nicht voran. Aber ist Entrepreneurship denn überhaupt erlernbar? Und wie verhält es sich mit all jenen Thesen wie:
„gründen kann nicht jeder, dazu muss man besonders mutig sein“
„man muss nur eine gute Idee haben, dann lässt sich kinderleicht Geld verdienen“
„das Charisma eines Gründers ist entscheidend für seinen Erfolg“
Allein in diesen drei Aussagen schwingen mehrere Botschaften mit, die Gründer als besonders mutig, besonders einfallsreich, besonders außergewöhnlich, besonders clever – eben besonders besonders – darstellen. 763.000 Menschen gründeten im Jahr 2015 in Deutschland. Sollen die alle besonders sein? Hatten sie nur Glück? Welches Bild haben wir hierzulande von Existenzgründern, Selbstständigen, Firmeninhabern?
Der Gründermythos
Klar ist: Unternehmer-Stereotypen gibt es so einige. Da sind der schillernde Neugründer, der konservative Patriarch oder auch die anpackende Firmenchefin. Alle implizieren, dass zur Firmengründung gewisse Charakterzüge unabdingbar sind. Dass ein erfolgreiches Unternehmen nicht ohne starke Führungspersönlichkeit funktionieren kann.
Doch ist das wirklich so? Und ist das nötige Mindset angeboren oder erlernbar? Bill Aulet verneint die Existenz eines Entrepreneur-Gens und erinnert außerdem daran, dass hinter den erfolgreichsten Unternehmen häufiger ein Team als eine Einzelperson steht. Wirklich entscheidend sei eine systematische Vorgehensweise. „Ja, Unternehmer brauchen diese ‚can-do‘-Haltung“, schreibt Aulet. „Den Glauben an sich, ein erfolgreiches Unternehmen aus der sagenumwobenen Garage zu bauen. Aber um erfolgreich zu sein, brauchen sie auch hervorragende Skills.“
Um diese zu identifizieren, dröseln wir erst einmal den Begriff Entrepreneurship auf. Von dem Aulet übrigens sagt, weder er noch eine(r) seiner Kommilitonen hätten ihn während ihres Studiums gekannt.
Was ist eigentlich Entrepreneurship?
Zunächst heißt Entrepreneurship schlichtweg Unternehmertum. Werner Otto, Hans Riegel, Theo und Karl Albrecht: Sie alle waren große Unternehmer und haben mit ihren weit verzweigten Konzernen in vielen Branchen und Orten Spuren hinterlassen.
Die dazu nötigen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften – Fachwissen, Führungsstärke, Mut und Risikofreude, „rechnen können“ – waren für ihren unternehmerischen Erfolg damals genauso entscheidend wie für heutige Gründer. In Zeiten innovativer Geschäftsmodelle bzw. Startups schwingt mit dem Begriff Entrepreneur jedoch zusätzlich die These mit, es bedürfe eines gewissen Mindsets, einer besonderen Mentalität, die einen Gründer ausmacht. Ganz zentral etwa die Bereitschaft, bestehende Strukturen und Marktregeln zu durchbrechen und durch neu entwickelte Prozesse zu ersetzen.
Doch wieder Sport: die richtigen Techniken kennen
Statt den Anforderungskatalog jetzt aber immer weiter aufzublähen, kommen wir auf das Buch „Startup mit System“ und Aulet zurück. Dessen Credo lautet heute: Auch innovative Geschäftsideen müssen kritisch geprüft und Schritt für Schritt entwickelt werden, damit ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut werden kann. Es ist also weder die Idee noch die Führungspersönlichkeit, die Erfolg garantieren.
In „Startup mit System“ setzt Aulet dem Gründermythos ein konkretes 24-Schritte-Modell entgegen, mit dem jeder Entrepreneur seine Geschäftsidee prüfen und weiterentwickeln kann. Sehr konkret behandelt Aulet dabei folgende Aspekte:
- Wer ist Ihr Kunde? (Marktsegmentierung, Eintrittsmarkt, Persona u. a.)
- Was können Sie für Ihren Kunden tun? (Lebenszyklus- Fallstudie, Wertangebot, Kernkompetenz des Unternehmens u. a.)
- Wie kommt Ihr Kunde zu Ihrem Produkt? (Prozess zur Gewinnung zahlender Kunden, Verkaufsprozess u. a.)
- Wie verdienen Sie mit Ihrem Produkt Geld? (Geschäftsmodell, Preismodell, Lifetime Value of an Acquired Customer u. a.)
- Wie entwerfen und erzeugen Sie Ihr Produkt? (Schlüsselannahmen, Minimum Viable Business Product, Akzeptanz Ihres Produkts u. a.)
- Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Firma wächst? (Erschließen von Zweitmärkten, Produktplan)
So lässt sich dann auch die zweite Finanzierungsrunde überstehen.
Und Bill Aulet? Ist in jedem neuen Semester für die Ausbildung der MIT-Studenten im Fach Entrepreneurship zuständig. Seine Arbeit wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und sein Buch immer und immer wieder empfohlen. Weil es konkret und praxisbezogen sowie didaktisch geschickt aufgebaut ist. Weil es humorvoll ist und mit vielen farbigen Abbildungen und Cartoons garniert. Weil es statt Mythen Techniken vermittelt. Ganz wie beim Basketball: Dribbeln, Fokussieren, Pick & Roll, Absprung, Korbleger.
„Startup mit System“ lesen und weiterlesen
Wenn Ihr mehr wissen wollt:
- Das Inhaltverzeichnis von „Startup mit System“ haben wir hier hinterlegt.
- Eine Leseprobe „Wählen Sie einen Eintrittsmarkt aus (PDF)“ finden Sie hier.
- Bill Aulet twittert hier.
- Zur Originalausgabe des Buchs gibt es außerdem diesen Twitterkanal.
- Webseite des Autors zum Buch.
Und kaufen könnt Ihr das Buch natürlich auch – in allen gut sortieren On- und Offline-Buchhandlungen und bei oreilly.de.