Gute Nachrichten: Die Rubrik Geek Movies & Hackerfilme ist zurück (zusammen mit ihrem Autor), und wir zählen einfach weiter, als hätte es die Pause nie gegeben. Für den siebten Teil müssten wir allerdings streng genommen den Titel ändern, da zum ersten Mal eine Fernsehserie besprochen wird. Weil die aber epischer, teurer und besser ist als viele Filme, lassen wir 0 ausnahmsweise 1 sein. Und nun Bildschirm frei für Christopher Cantwell, Christopher C. Rogers und ihr erstaunliches Techie-Entrepreneur-80s-Retro-Drama *Halt and Catch Fire*.
Die Darstellung der IT-Szene und ihrer Protagonisten in der Popkultur sorgt oft für (unfreiwilliges) Gelächter. Klickibuntiblinkitechnik heißt das Stichwort, und ein guter Verweis ist die Media-Convention-Session Hollywoods Hacker. Halt and Catch Fire (HCF) hebt sich von den üblichen “Ich hacke mit Excel die CIA”-Produktionen wohltuend ab. Das lässt sich bereits am Namen der Serie ablesen (er geht auf einen Begriff aus dem Assembler-Universum zurück) – und gleich die erste Episode heißt “I/O”. Auch sonst wird munter dem Tech-Talk gefröhnt, der im Kontext aber immer verständlich ist. Man könnte sogar behaupten, dass die Serie Laien einen Crash-Kurs in Sachen IT-Vokabular anbietet: BIOS, Hex-Code, Reverse Engineering, Broadband, Timesharing – einfach zuhören und notfalls zurückspulen. :-)
Neben sauberem Jargon (AMC engagierte mehrere Tech-Berater) und realistischen Gerätschaften (Museumsstücke!) bietet die Serie aber vor allem eines: Eine spannende Geschichte. Und die beginnt so:
Texas in den frühen 80ern. Der ehemalige IBM-Angestellte Joe MacMillan (Lee Pace), ein leicht verrückter, aber visionsgetriebener Marketing-Guru, krempelt mit List und Tücke den braven Familienbetrieb Cardiff Electric komplett um: Er will den großen Konzernen den Stinkefinger zeigen und einen innovativen PC inkl. Betriebssystem für Otto Normalverbraucher bauen. Seine Figur erinnert an Steve Jobs (mit einem Schuss Patrick Batemann). Ausgesucht hat sich Joe die Firma in der Silicon Praerie, weil dort Gordon Clark (Scott McNairy) arbeitet. Der wiederum ist gescheiterter Gründer, Familienvater, Quartalssäufer – sowie höchst talentierter Ingenieur à la Steve Wozniak. Ein Mann, der sich dringend technisch austoben muss. Damit das hochriskante Projekt gelingen kann, brauchen die beiden noch Verstärkung an der Coding-Front. Auftritt: Catherine “Cameron” Howe (Mackenzie Davis), 80s-Punk-Version von Ada Lovelace bzw. Grace Hopper. Cameron ist ein klassisches Enfant Terrible mit schwieriger Familiengeschichte, das sich auf verworrenen Pfaden zwischen Genie, Wahnsinn und Arcade-Halle bewegt. Ob der Launch des neuartigen PCs gelingt und sich das Mediennutzungsverhalten der Masse für immer verändert, hängt von unzähligen Fragen ab: Wer kann sein Ego wie lange im Zaum halten? Wo ist das ganze Geld geblieben? Welche Geschütze fährt die Konkurrenz auf? Was tun, wenn die Köpfe und Rechner rauchen? Wie sinnvoll ist eine Cola-Pizza-Koks-Diät?
Als Inspiration für Staffel 1 scheint die Firmenhistorie von Compaq gedient zu haben, wobei alle Figuren fiktiv, Konkurrenten wie IBM (oder Texas Instruments) aber selbstverständlich real sind.
In der zweiten Staffel, die ich an dieser Stelle nicht spoilern will, dreht sich dann alles um die Anfänge der Games-Industrie und Online-Communities. Außerdem wird das Thema Anarcho-Startup vs. Big Business in den Fokus gerückt. Die Protagonisten und ihre Sidekicks bleiben die gleichen (allen voran Cardiff-Geschäftsveteran John Bosworth und Techie-Mom Donna Clark), nur die Rollen und Abhängigkeiten haben sich deutlich verschoben.
Erzählt wird die große IT-Saga äußerst facettenreich und in mehrere Handlungsstränge aufgeteilt, die sich immer wieder geschickt kreuzen. Die Darstellerriege agiert dabei souverän und glaubwürdig, insbesondere die junge Kanadierin Mackenzie Davis spielt die komplexe Figur Cameron Crowe mit absoluter Hingabe. Etwas theatralisch und übertrieben muten die Eskapaden von Joe an, aber auch diese Figur funktioniert letztlich gut; sie entwickelt sich und treibt immer wieder die Handlung voran. Das Portrait von Gordon und Donna Clark (zwei Kinder, Probleme mit der Work-Life-Balance, Ehekrise) bietet einen Gegenpol zur Yuppie- und Punk/Hacker-Welt. Bei der Dramaturgie macht die Serie von Staffel 1 zu Staffel 2 nochmals einen deutlichen Qualitätssprung.
Auch optisch hat HCF viel zu bieten, vor allem die Retro-Ausstattung sucht ihresgleichen. Von den Autos und Bürogebäuden über die Telefone und Mainframes bis zu den Bärten und Brillen: Alles atmet den Geist der 80er Jahre. Da wundert es nicht, dass HCF angeblich drei Million Dollar pro Folge kostet. Unbedingt erwähnenswert ist auch der stilechte Soundtrack der Serie. Er besteht weitgehend aus den Punk-Songs auf den Mixtapes von Cameron: The Clash, The Damned, Hüsker DÜ, Minor Threat, XTC – die Frau hat Geschmack (-> zur offiziellen Spotify-Playlist), und viele Zuschauer noch immer einen Ohrwurm von “Complicated Game”.
Zum Schluss noch eine schlechte Nachricht: Die vorerst letzte, Anfang August ausgestrahlte Folge deutet zwar eine dritte Staffel an (in Kalifornien, mit möglicher Durchdeklinierung von IT-Sicherheitsthemen und Anti-Virensoftware) – ob AMC die finanzieren will, ist allerdings noch völlig unklar.
Update: Da vergisst man (leicht gefrustet) ein paar Tage lang, das AMC-Blog zu checken – und prompt gibt’s gute Nachrichten. Season 3 ist abgesegnet, neue Folgen von HCF gibt’s im Sommer 2016! :-)