Am Samstag, dem 15. September 2012 findet der Software Freedom Day statt – ein Feiertag zu Ehren Freier und Open Source Software (FOSS), der seit Jahren von Open Source-Enthusiasten weltweit ausgerichtet wird. In Deutschland kann man unter anderem in Köln mitfeiern. Gemeinsam mit dem Computerclub Pascal organisiert die Usergroup LiWoK einen ganzen Tag Vortragsprogramm im Coworking Space Gasmotorenfabrik. Wir haben dazu mit Bruno Hopp aus dem Orga-Team gesprochen.
Herr Hopp, wie sind Sie selbst das erste Mal mit dem Open Source-Gedanken in Berührung gekommen?
Das war zu Studienzeiten im Rechenzentrum: Als Student sollte ich eine etablierte Statistiksoftware erlernen – dazu vorgesehen: praktische Übungen „am Rechner“. Dummerweise hatte die angebotene Software genau die Berechnungen, die ich plante, nicht eingebaut. Tja, einige tausend Werte mag niemand mit Taschenrechner durchgehen – ich fragte mich, wie ich das selbst programmieren könnte.
Also habe ich mich bei den älteren, erfahrenen Anwendern umgehört. Ich erinnere mich an einige sympathische (Spät-) Hippies, die was von Linux und „ein richtiges Betriebssystem“ murmelten. Da musste ich mich zuerst schlauer machen, durfte bei einem befreundeten Studenten über die Schulter gucken, der in einem Univsitätsinstitut richtige Server mit der sagenumwobenen „S.u.S.E. Linux“ Distribution aufsetzte (ja, Suse damals noch mit Punkten im Namen). Ab dem Zeitpunkt war ich ernsthaft infiziert.
Nun engagieren Sie sich schon seit Jahren im LiWoK – einer Kölner Linux User Group. Können Sie uns zunächst kurz die Gruppe vorstellen? Wie viele Linuxer treffen sich wie häufig?
Das ist eine spannende Geschichte. Vor vielen Jahren von Studenten gegründet, war es von Beginn an eine informelle Gruppe. Keine festgeschriebene Mitgliederliste, wer kommt, ist dabei. Mehrere Informatiker, zahlreicher aber die „normalen“ Anwender. Signifikant häufig aus den Naturwissenschaften, hier scheint man offener für technische Neuerungen (im Gegensatz zu meiner Profession, aber das ist ein anderes Thema).
Dankenswerterweise fand sich ein Lehrstuhl, der uns geeignete Räume für Treffen zugänglich machte. So kann sich die Usergroup jeden ersten Dienstagabend im Monat treffen, neben Neuigkeiten aus der Linuxszene die eigenen Erfahrungen mit einzelner Software sowie Installationsprobleme klären. Üblicherweise ist das ein reger Austausch zwischen erfahrenen (nicht zwingend älteren) Teilnehmern und solchen, die sich neu an Linux heranwagen. Irgendwann kamen unsere Webseiten hinzu, mit denen wir die Gruppe und unsere Ziele vorstellen. Und wenn wir auch räumlich sehr nahe zur Universität zu Köln liegen, sind wir doch offen für alle.
Zur Größe: Wir sind ungefähr zwischen zwanzig bis dreißig Personen, die sich in natura treffen. Einige treten natürlich nicht jedesmal in Erscheinung, und auf unserer Mailingliste lesen wesentlich mehr aktiv mit. Durch berufliche Veränderungen leben einige inzwischen auch außerhalb von Köln. Ich glaube, unser räumlich entferntester Aktiver ist momentan in Neuseeland. Und ein geselliges Beisammensein nach den Treffen zeigt mir auch, dass wir keineswegs Stubenhocker oder technophile Nerds ohne Sozialkompetenz sind. Das Gegenteil ist der Fall: alles sehr nette Leute!
Außer den regelmäßigen Stammtischen richtet(e) die UG auch Installpartys, Kursveranstaltungen und Vorträge aus. Ebenfalls nicht zum ersten Mal lädt die UG zum Software Freedom Day ein. Was verbirgt sich hinter diesem besonderen Tag?
Das ist natürlich eine interessante Beobachtung, die hinter diesen Fragen steht. Die klassischen „Installationsparties“, zu denen früher Menschen ihren Rechner von weither anschleppten, damit erfahrene Linuxer Ihnen darauf nun ein vermutet kompliziertes Linux kostenfrei aufspielten, sind Geschichte. Heute ist dank Fedora, Ubuntu und Debian (und geschätzten weiteren fünfhundert Linuxdistributionen!) selbst für absolute Laien das Aufspielen eines aktuellen Linux auf einen zeitgemäßen Rechner eine Sache von Minuten. Im Web gibt es reihenweise Infos zu Spezialthemen, die sich jeder heranholen könnte (neben guten Büchern aus meinem Lieblings-Computerbuchverlag natürlich).
Von daher haben wir unseren Fokus in der Usergroup inzwischen stärker auf die Frage „Wozu Linux?“ ausgerichtet. Das bringt uns dazu, dass auch wir im Rahmen des O’Reilly Usergroupprogramms die eine oder andere Unterstützung nutzen dürfen. Gerade für rein ehrenamtlich organisierte Communities wie uns ist das ein enormer Anschub. Inzwischen kommen die Anwender mit praktischen Themen wie: „Ich habe diese spezielle Hardware im Rechner. Wie kann ich sie mit Linux am einfachsten nutzen?“ Manchmal lassen sich Fragen in wenigen Minuten lösen, aber manches wie beispielsweise Virtualisierung geht schon etwas tiefer in die Materie und zeigt, was mit Linux machbar wird.
Und weil wir darauf achten, nützliche Informationen und Anleitungen zu verbreiten, nutzen wir den internationalen „Software Freedom Day“, um einmal im Jahr zu zeigen, welche schönen Möglichkeiten wir heute dank frei verfügbarer Software haben. Diese weltweite Veranstaltung feiert die Erfolge von Open-Source-Software mit zahlreichen lokalen Teams, auch hier in Köln. Das ist keine Selbstverständlichkeit: Viele Menschen wissen noch gar nicht, dass Computer, Software und Freiheit etwas miteinander zu tun haben. In einer technologisch ausgerichteten Gesellschaft macht das einen enormen Unterschied, ob wir auf Anbieterseite nur einige wenige Firmen oder ein breitgefächertes Angebot haben.
Braucht die Open Source-Bewegung denn noch Tage dieser Art? Immerhin werden die klassischen LAMP-Technologien inzwischen von allen großen IT-Diensten – z.B. Google – erfolgreich eingesetzt.
Hm, ich würde behaupten die Welt braucht eigentlich noch wesentlich mehr als nur den einen Software Freedom Day! Zwar konnte die Open-Source-Bewegung bisher ein paar schöne Erfolge verzeichnen, aber für meinen Geschmack ist Linux noch lange nicht genug verbreitet.
Im Desktopbereich sind Mozilla Firefox und Thunderbird, LibreOffice/OpenOffice und R sehr nützlich. In der Serverwelt hat Linux – in den großen Rechenzentren – Fuß gefasst (LAMP dürfte eine der gängigsten Anforderungen sein). Dass z.B. ein Debian-basierter Server viele Jahre performant funktionieren kann, hat so manches Unternehmen inzwischen gelernt – nicht nur Google oder IBM. Daraus erfolgreiche Geschäftsmodelle zu generieren – daran müssen wir noch arbeiten :-)
Google macht uns erfolgreich vor, wozu Linux gut ist. Aber ich hätte gerne noch mehr Vielfalt, nicht nur Linux beim Pfandautomaten im Einzelhandel, im Videorecorder oder Android auf dem Mobiltelefon. Web 2.0 und Cloud Computing sind momentan Bereiche, in denen dank Linux extrem viel passiert! Bei frei verfügbarer Software ist das Experimentieren natürlich erlaubt und legal. Allein die Entwicklung der NoSQL-basierten Datenbanksysteme wie Apache CouchDB, Apache Cassandra, Hbase oder MongoDB ist atemberaubend. Da werden locker zentrale Paradigmen der Informatik aus den letzten 40 Jahren komplett neu geschrieben :-)
Ich finde, wir brauchen mehr Menschen, die solche Chancen erkennen, nutzen und daraus etwas Neues bauen. Computer sind m.E. nicht nur zum Spielen da. Stattdessen lassen sich mit ihnen viel spannendere Dinge selber machen – die Bewegung der FabLabs wie etwa die Kölner DingFabrik bieten großartige Beispiele.
Ist der SFD in Köln eine offene Veranstaltung? Was erwartet die Besucher?
Ja, unser Kölner SFD ist offen für alle Besucher, Eintritt kostenlos! Wir freuen uns über alle, die uns, Freie Software und Open Source näher kennenlernen wollen. Das ist natürlich Linux, aber auch die BSD Unices gehören dazu. Wir haben ein reichhaltiges Programm mit Referenten, die aus ihrer täglichen Praxis heraus zeigen, was mit Linux alles möglich ist. Und dank unserer tollen Sponsoren dürfen wir in den Räumen des Coworking Space im Kölner Norden mit etwas Glück sogar 3D-Drucker und Lasercutter zeigen, die sich mit Linux ansteuern lassen. Da hüpft doch jedes Entwicklerherz gleich höher :-)
Und last not least denke ich, dass http://www.softwarefreedomday.org/ und unsere Kölner Aktivitäten sich perfekt ergänzen. Wir Linuxer sind schließlich eine ausgesprochen soziale Community, gucken gern über den Tellerrand und lernen gern Neues von interessanten Leuten! Das muss am guten Einfluss der nahen Universität liegen.
Zuletzt eine persönliche Frage: Ihr liebstes OS-Tool ist … ?
Puh, eine der schwierigsten Fragen! Für mich unter Linux sicher OpenSSH samt „allem Drumherum“ zur Administration (ui, man-page lesen…) Eine Shell (bash) nutze ich täglich, schreibe regelmäßig Skripte in R und der Programmiersprache Python mit den Editoren Vim/Vi und Emacs. Alle sind universell, lassen sich miteinander kombinieren. Was aber Stoff für ein neues Buch wird :-) Ich glaube, die Liste meiner liebsten OS-tools wird länger, je mehr ich darüber nachdenke.
Herr Hopp, ich danke für das aufschlussreiche Gespräch & wünsche im Namen des gesamten O’Reilly-Teams einen gelungenen Software Freedom Day in Köln!
2 Kommentare