Den umfassenden Nachrufen und Features auf den Wissenschaftsseiten der großen Zeitungen, Websites und Blogs können wir kaum etwas hinzufügen. Dennoch soll auch an dieser Stelle an das kurze Leben und den tragischen Tod eines Jahrhundergenies erinnert werden, ohne dessen Wirken die Geschichte der IT sicher anders verlaufen wäre: Am 23. Juni vor 100 Jahren kam in London Alan Turing auf die Welt.
Schon in seiner Jugend zeigte der Brite außergewöhnliche Begabung im Bereich der Naturwissenschaften. 1928, im Alter von 16 Jahren, hatte er die Arbeiten von Einstein verstanden und eigene Erkenntnisse daraus abgeleitet. Das bekannteste Vermächtnis des passionierten Grüblers und Forschers, der sich im Laufe der Zeit vor allem der Logik, Mathematik und Kryptoanalyse verschrieb, dürfte die Mitte der 30er Jahre konzipierte Turingmaschine sein, eine wichtige Grundlage der theoretischen Informatik. Wie das Gerät funktioniert und warum es revolutionär war bzw. ist, lässt sich auf dieser interaktiven Website der Uni Wuppertal besser nachvollziehen, als ich es hier erklären kann.
Turing gebührt jedoch nicht nur Respekt für sein Berechenbarkeitsmodell, auch in anderen Bereichen der IT (die damals noch nicht so hieß) stösst man auf seinen Namen. So half der Brite maßgeblich beim Knacken der von den Nazis eingesetzten Verschlüssungsmaschine Enigma (s. auch Der Geek-Atlas, S. 163ff.) – und entwarf in friedlicheren Zeiten (1952) den ersten Schachcomputer. Aus seinen Projekten zum Thema Künstlische Intelligenz (KI) war kurz vorher der nicht minder bekannte Turing-Test hervorgegangen. Kurz und gut: Turing ist einer der wichtigsten Gründerväter der Informatik.
Ein angenehmes Leben war dem Ausnahmetalent allerdings nicht vergönnt. Als Homosexueller im England der 50er Jahre verfolgt, musste sich Turing schließlich einer Psycho- und Hormon“therapie“ unterziehen. Das Perfide daran: Turing hatte die Polizei selbst informiert – wg. eines Einbruchs in seine Wohnung.
Die staatlich verordnete Behandlung führte bei Turing nicht nur zu körperlichen Deformationen, sondern war – laut Ansicht seiner Biographen – auch Hauptursache für eine später einsetzende Depression. Körperlich und psychisch angeschlagen nahm sich Turing am 7. Juni 1954 im Alter von 41 Jahren mit Cyanid das Leben. Träger des Gifts war vermutlich ein Apfel, der zur Hälfte verspeist neben seiner Leiche gefunden wurde.
Nach öffentlichen Protesten entschuldigte sich der Britische Premierminister posthum für Turings Drangsalierung durch die Behörden. Das war im September 2009.