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15 Jahre Webgrrls: Netzwerken und dem Gender Gap (mit einem Lächeln) die Zähne zeigen

Schon seit langem wollen wir mal wieder einen Beitrag in unserer Reihe „Frauen in der IT“ bringen. Allein, viele Frauen, die ich angesprochen habe, hatten einfach zuviel zu tun – immerhin auch eine gute Nachricht. Aber jetzt ist es soweit. Sehr gern nehmen wir das 15-jährige Bestehen der Webgrrls zum Anlass, um mehr über dieses Netzwerk für Frauen in den neuen Medien zu erfahren. Fünf von ihnen* erläutern, wer die Webgrrls sind und was sie erreichen wollen.

In einer aktuellen Presseinfo ist zu lesen: „Das rr klingt lautmalerisch wie Knurren und steht für den Kampfgeist der webgrrls. Die Schreibweise ist inspiriert von der amerikanischen Bewegung der riotgrrrls, die sich Anfang der 90-er Jahre in der Punk-Szene mit feministischen Inhalten und Überspitzung von Rollenstereotypen […] gegen die männliche Dominanz in der Musikszene wandten“. Zählt man die Rs, könnte man meinen, die Webgrrls sind wilder als normale Girls, aber nicht so wild wie die Riot Grrrls ;-) – Zufall oder ist da was dran? Und was bedeutet das für die Webgrrls als „Business-Netzwerk für Frauen“?

Manchmal ist Lächeln ja eine durchaus wirkungsvolle Art, die Zähne zu zeigen ;-). Webgrrls sind wild im Sinne von eigenständig, unternehmungslustig, neugierig und experimentierfreudig – in Hinblick auf Kommunikation und Zusammenarbeit ebenso wie bei der Erprobung neuer Tools, Programmiersprachen und Plattformen. Webgrrls werden wild, wenn versucht wird, Frauen (in und außerhalb der IT) für dumm zu verkaufen. Girls sind eigentlich die wenigsten Webgrrls – die Mehrheit sind „gestandene Frauen“…

1997 in München gegründet, gibt es die Webgrrls jetzt 15 Jahre, mit derzeit 600 Mitgliedern. Wie alt sind das jüngste und älteste Webgrrl? Und welche Berufe üben die Webgrrls (überwiegend) aus?

Webgrrls sind Web-Designerinnen und Datenbank-Programmiererinnen, Journalistinnen und Marketingmanagerinnen, Social Media Expertinnen und Künstlerinnen, Coaches, Projektmanagerinnen und viele andere Fach- und Führungsfrauen aus unterschiedlichen Branchen und Unternehmensformen: Selbstständige oder Freiberuflerinnen finden sich ebenso bei den webgrrls wie (häufig: leitende) Angestellte in Unternehmen.

Webgrrls-Gründerinnen 1997 (Foto: Paul El Tawil)

Webgrrls sind jung oder in Ehren ergraut – der Großteil der Webgrrls dürfte zwischen 30 und 60 sein. Manche junge Informatikerin oder PR-Frau stößt im ersten Job zu uns, andere entdecken das Netzwerk im Zuge einer beruflichen Neuorientierung in mittleren Jahren. In der letzten Auswertung der Mitgliederberufe waren je ca. 20 Prozent in den Bereichen Design/Entwurf, Controlling/Administration/Organisation und Konzept/Beratung tätig, weitere 15 Prozent im Bereich Text/Redaktion/Übersetzung, über 10 Prozent Programmierinnen, weitere knapp 5 Prozent im Bereich Datenbanken…

Webgrrls-Regio-Treffen (Foto: Webgrrls)

In einer Presseinfo steht: „Im Unterschied zu anderen Netzwerken bieten die webgrrls jedoch nicht nur persönlichen und fachbezogenen Austausch, sondern engagieren sich als eingetragener Verein für die Verbesserung der Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen und die Überwindung des Gender Gap in der Informationsgesellschaft.“ Wie sieht dieses Engagement konkret aus? Gibt es Ergebnisse und Erfolge, auf die die Webgrrls besonders stolz sind?

Durch die aktive Mitarbeit im Frauenrat bringen die webgrrls aufgrund ihrer IT- und Medien-Kompetenz wichtige Impulse für Aktionen und für Stellungnahmen ein und tragen so zur Überzeugungsarbeit im politischen Raum bei. Dazu gehört auch die Vernetzung und konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Verbänden, z.B. dem Deutschen Ingenieurinnenbund, dem Unternehmerinnentag NRW, dem Frauenkongress auf der Hannover Messe oder der vom BPW veranstalteten Messe Erfolg in München. Auch beim Equal Pay Day sind die Webgrrls aktiv, siehe auch den seit 2008 bestehenden Rote-Taschen-Blog.

Equal Pay Day Berlin 2011 (Foto: Webgrrls)

Im Frauenrat engagieren wir uns insbesondere in der Arbeitsgruppe „High Tech – zündende Ideen“, die die Mint-Projekte initiiert hat. Wir waren an der Resolution „Ohne Frauen fehlt der Technik was“ beteiligt. Auch für den flächendeckenden Internetzugang haben wir uns eingesetzt. Außerdem gab es das Engagement gegen Internetsperren; eine Fachtagung des Frauenrats wurde von uns mit angeregt. In der vom Frauenrat herausgegebenen Zeitschrift 4/2011 „Am Draht“ wurde Sandra Becker als Delegierte der webgrrls.de gebeten, die Fachtagung des Frauenrates zum Thema Internetsperren und Kinderpornografie zu dokumentieren.

Am Herzen liegt uns auch das Mentoringprogramm Cybermentor – mehrere Webgrrls ermutigen Mädchen durch kontinuierliches, meist virtuelles Mentoring dazu, sich für Ausbildung und Beruf im MINT-Sektor zu entscheiden.

Gibt es innerhalb der Webgrrls eigentlich verschiedene Flügel, die unterschiedliche Schwerpunkte in der Vereinsarbeit setzen möchten? Wenn ja, wie sehen die aus?

„Flügel“ gibt es bei den Webgrrls eigentlich nicht, aber sehr wohl Vielfalt und auch die eine oder andere Meinungsverschiedenheit – zum Beispiel gibt es zum Thema Quote immer wieder heiße Diskussionen. Manche Regionalgruppen sind stärker IT-orientiert als andere, was oft auch damit zusammenhängt, in welchen Berufen die vereinsaktiven Frauen unterwegs sind.

Vor 15 Jahren sah das Web noch ganz anders aus. Heute nutzen Mädchen und Frauen intensiv und selbstverständlich die sozialen Medien. Ist es für sie dadurch leichter, ihre Affinität zu neuen Medien und zur IT zu entdecken? Oder hat das eine mit dem anderen aus Eurer Sicht nicht viel zu tun?

Der Gender Gap im Netz hat sich auf den ersten Blick deutlich verringert – Mädchen und Frauen nutzen nach einigen Studien soziale Netzwerke sogar intensiver als Männer. Dennoch sind die viel zitierten Meinungsführer in der Regel immer noch eher männlich, und in besonders IT-affinen Bereichen wie der Informatik hat die Zahl der weiblichen Studierenden und Auszubildenden in den letzten Jahren sogar abgenommen. Es gibt also nach wie vor noch dicke Bretter zu bohren, und allen Grund, sich zu vernetzen!

Webgrrls Regioteam Bayern (Foto: Sabine Fritz)

Die Zahl der Barcamps, Unkonferenzen, Facebook-, Google+-Gruppen und lokalen Stammtische zu den neuen Medien und IT-Themen ist explodiert. Wird es durch die zunehmende Vernetzung einfacher, neue Webgrrls zu gewinnen oder ist es durch die Vielzahl der Angebote über die Jahre eher schwerer geworden?

In fachlicher Sicht ist die Auswahl natürlich ungleich größer geworden. Haben anfangs viele Webgrrls unsere Mailinglisten z.B. intensiv genutzt, um sich über Technikfragen auszutauschen, gibt es mittlerweile hier sehr viele spezialisiertere Plattformen. Um Frauen beruflich zu vernetzen, die in und mit neuen Medien arbeiten, sind die Webgrrls aber nach wie vor konkurrenzlos. Wir merken das z.B., wenn wir als Webgrrls Gruppe gemeinsam Barcamps besuchen.

Wie kann ich Webgrrls-Mitglied werden und was kostet das? Können eigentlich auch Männer Mitglied werden?

Kommen Sie zum nächsten Regionaltreffen der Webgrrls oder treten Sie einfach online bei. Der Mitgliedsbeitrag beträgt moderate 60 EUR im Jahr, dafür gibt es jede Menge Veranstaltungen, Austausch, Spaß… Eine Mitgliedschaft für Männer ist nicht vorgesehen.

Und was passiert im Rahmen von „webgrrls convention net+work“ am 19. Mai 2012 in München? Wer kann da teilnehmen?

An der webgrrls convention können alle Frauen teilnehmen, die sich für berufliche Weiterentwicklung, Wissensaustausch und Netzwerken interessieren. Die Veranstaltung in einer der schönsten Locations, dem Literaturhaus München, verbindet die Struktur eines klassischen Kongresses (Keynote und Podiumsdiskussion) mit der Offenheit eines Barcamps – rund um die Themen Neue Medien, Social Media, Marketing und Arbeiten in der Zukunft. Kooperationspartner ist die IHK für München und Oberbayern. Die Sessions werden vorab auf der Jubiläumswebsite veröffentlicht (in progress).

Die Keynote hält Regina Mehler, Buchautorin und frühere Marketing Managerin Adobe Central Europe über Innovation und Marketing. Bei der Abschlussdiskussion auf dem Podium: Dr. Sina Brühbach-Schlickum, promovierte Sozialwissenschaftlerin, Gründerin und Geschäftsführerin des Münchener Coworking-Space Combinat 56, Elfriede Kerschl, Referatsleiterin Volkswirtschaft, Fachkräfte, Demografie der IHK München und Oberbayern, Adriana Olivotti, Buchautorin „Zur Sache Schätzchen. Frauen und Macht“, Coach und Unternehmerin und weitere Gäste.

Und abends wird gefeiert – in einer Bar im Dreimühlenviertel, mit DJane Ingrid Häfner und 7-Gänge-Flying Buffet.

*Folgende Webgrrls haben zu den Statements beitragen:

  • Ingrid Arnold, München – Online-Redakteurin Goethe-Institut
  • Sandra Becker, Berlin – webgrrls Vorstand, Künstlerin
  • Martina Diel, Frankfurt – webgrrls Regioteam Rhein-Main, Coach und Buchautorin (Das IT-Karrierehandbuch)
  • Verena Osgyan, Nürnberg – Online Marketing Managerin easy credit
  • Barbara Maria Zollner, München – Autorin und PR-Beraterin
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