Seit etwas mehr als zehn Jahre reise ich für den O’Reilly Verlag im Außendienst durch Norddeutschland, die ersten Jahre in der typischen Außendienstfahrweise:
• grundsätzlich auf der Autobahn
• grundsätzlich auf der linken Spur
• grundsätzlich mit durchgedrücktem Gaspedal
• grundsätzlich die Sintflut im Rückspiegel
schließlich habe ich als Vertreter durchschnittlich vier Termine und 400 km täglich zu absolvieren. Ich habe mir mal auf einer Fahrt von Bremen nach Berlin den Spaß gemacht, mir das Kennzeichen jedes Autos zu merken, das mich überholte – mein Gedächtnis wurde nicht allzu sehr gefordert. Spritverbrauch oder CO2-Ausstoß waren für mich eher theoretische Begriffe, die immer und grundsätzlich andere betrafen: „die Industrie“, „die LKWs“ oder „die Geländewagen“ (apropos Geländewagen – wussten Sie schon, dass die Zahl der zugelassenen Geländewagen die der zugelassenen Förster bei weitem übertrifft? Da kann doch was nicht stimmen!).
Seit ungefähr zwei Jahren jedoch bin ich zwar nicht spirituell, aber immerhin spritmäßig vom Saulus zum Paulus mutiert: ich war nicht unmaßgeblich an der Entscheidung beteiligt, den O’Reilly-Außendienst CO2-neutral zu stellen, und ich habe einen hartnäckigen Elan entwickelt, den durchschnittlichen Verbrauch meines 115-PS-Diesel-Kombis auf unter vier Liter/100km zu senken (momentan 3,8!), was mir in Kollegenkreisen den Freakstatus eines Mitglieds in einer Flagellantensekte sichert.
Ich würde nur zu gerne als Grund für diese Wandlung mein plötzlich erwachtes ökologisches Gewissen oder eine göttliche Offenbarung irgendwo zwischen Husum und Halstenbek-Krupunder nennen, aber mein Erweckungserlebnis war deutlich profanerer Natur und ereilte mich in Form eines Schreibens der Straßenverkehrsbehörde, in dem mir mein Punktestand in der Verkehrssünderdatei mitgeteilt und ich im dräuenden Ton eines brennenden Dornbuschs ermahnt wurde, erstens Buße zu tun (50 €, wenn ich mich recht erinnere) und zweitens künftig dem Flensburger Irrweg abzuschwören.
Ich habe dann angefangen, meine Fahrweise zu ändern und vom Gaspedal herunterzugehen. Dabei habe ich eine Reihe wundersamer Erkenntnisse gewonnen:
• wenn ich wesentlich langsamer fahre, komme ich nicht wesentlich später zu meinen Terminen, aber dafür deutlich entspannter;
• ich habe einen Bordcomputer im Auto, der mir den momentanen Spritverbauch anzeigt – und daraus geht hervor, dass Spritverbrauch und Geschwindigkeit tatsächlich nicht streng miteinander korrelieren! Je nach Pedalstellung verbrauche ich bei derselben Geschwindigkeit bis zu fast einem halben Liter mehr oder weniger;
• am meisten Sprit verbraucht ständiges Beschleunigen und wieder Abbremsen, erstaunlich niedrige Werte stellen sich ein bei möglichst gleichmäßigem Fahren. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten beider Fahrweisen liegen dabei gar nicht so weit auseinander.
• Reifendruck um 0,2 bar über die Herstellerangabe erhöhen!
• die Klimaanlage frisst Sprit satt! Ich nutze sie nur im Sommer, um das Wageninnere herunterzukühlen – und nicht, um das ganze Jahr über im Permanentbetrieb Heizung und Lüftung zu unterstützen;
• bei roten Ampeln in der Stadt und bei Staus auf der Autobahn stelle ich den Motor ab. Es ist frappierend, wieviel Sprit man sonst im Stau vergeudet, wenn der Motor ständig läuft.
Wie bei jedem Saulus/Paulus-Charakter gilt auch bei mir: Fanatiker selbst ändern sich nicht, nur die Richtung ihrer Denkweise. Also begann ich, auf Autobahnen hinter Lastkraftwagen herzufahren, um die spritoptimierte Geschwindigkeit von 90km/h halten zu können, ohne zum Verkehrshindernis für andere zu werden, und meine Chefin habe ich solange bearbeitet, den Außendienst CO2-neutral zu stellen, bis sie es erstens für eine tolle und zweitens für die eigene Idee hielt.
CO2-Neutralität ist gar nicht so schwer zu organisieren. Es gibt mehrere Anbieter, die auf eine ermittelte CO2-Emission eine Gebühr erheben und diese dann in CO2-reduzierende Maßnahmen investieren. Dabei sollte man allerdings darauf achten, dass diese Unternehmen zertifiziert sind (die von uns beauftragte Firma Greenmiles z.b. vom TÜV Nord) und nur in von der UNO anerkannte Projekte investieren (und dazu gehören eben keine Aufforstungsprogramme, die scheinen sich als zu langfristig und unsicher erwiesen zu haben). CO2-neutralisieren kann sich übrigens jeder für alles: Firmen die gefahrenen Kilometer der Vertreter, Privatmenschen den Billigflug nach Mandalay oder Bauern das Rülpsen ihrer Kühe.
Achja, es gibt beim ökologisch-bewusstem Langsamfahren auch Nachteile, die nicht unerwähnt bleiben sollten. Man verliert Zeit! Wenn auch deutlich weniger als befürchtet, aber man verliert Zeit. Ich bin an einem Arbeitstag ca. eine Stunde länger unterwegs. Die inverstiere ich aber gerne in einen gegenüber meinen Sauluszeiten um fast 50%ig niedrigeren Spritverbrauch. Zugegeben, mir kommt dabei auch meine große Leidenschaft zugute: Ich höre sehr gern und viel Musik, und den CD-Player im Auto habe ich für mich alleine, den CD-Player im Wohnzimmer daheim teile ich hingegen mit meiner achtjährigen Tochter – und das bedeutet Bibi Blocksberg statt B.B. King und Benjamin Blümchen statt Van Morrison. Ich weiß, wenn meine Tochter älter ist, wird sie mich schon verstehen.
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