Umsätze steigern, Marktanteile gewinnen: Dieses Ziel dürfte wohl bei einigen Händlern und Herstellern für das Jahr 2020 wieder besonders groß auf dem Zettel stehen. Mit Amazon bietet sich eine weltweit populäre Verkaufsplattform an – offen für nahezu jeden, der Waren in den Umlauf bringen möchte. Und genau darin besteht die Herausforderung: Wie schafft man es, die eigenen Produkte überzeugend darzustellen, in den Suchlisten nach oben zu klettern und letztlich Verkäufe zu generieren? Im Interview mit Marc Aufzug – Autor unseres Buchs E-Commerce mit Amazon – erfahren Händler nützliche Tipps und Hinweise.
Marc, zum Einstieg würde ich gerne Begriffe klären: Amazon kategorisiert seine Händler in Vendor und Seller. Kannst du mir den Unterschied erklären, und was bedeutet die jeweilige Rolle für den Händler?
Es gibt bei Amazon zwei Kooperationsformen. Bei dem Vendor-Modell handelt es sich um die B2B-Variante. Das heißt, man verkauft die eigenen Produkte an Amazon und Amazon verkauft sie an Endkunden. In diesem Fall ist Amazon also der Retailer. Die meisten großen Marken und Hersteller entscheiden sich für das Vendor-Modell. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ich glaube, der Hauptgrund liegt darin, dass sie es oft nicht anders gewohnt sind. Ihrem gängigen Vertriebsmuster entspricht es, als Hersteller an Händler zu verkaufen. Sie treten nicht unmittelbar in Kontakt mit Endkunden.
Auf der anderen Seite gibt es das Seller-Modell. Es repräsentiert Amazons Marktplatz-Konzept. Du und ich können die Reichweite der Plattform nutzen und im eigenen Namen an Endkunden verkaufen. Wenn man es auf einzelne Partner von Amazon bezieht, ist die größere Menge sicherlich im Seller-Modell unterwegs.
Klassische Vendoren schauen immer mehr darauf, was im Seller-Bereich passiert. Das ist momentan ein großes Thema in der Szene. Macht es zum Beispiel Sinn, mit meiner Marke als Seller vertreten zu sein? Oder auch beide Modelle parallel zu fahren, im sogenannten Hybridmodell? In diesem Fall verkauft man einen Teil des eigenen Sortiments über den Seller-Account, also den Marktplatz, und einen anderen als Vendor an Amazon.
Amazon überzeugt durch konsequente Kundenorientierung – angefangen bei 1-Click®-Bestellungen über großzügige Erstattungsbedingungen bis zu Funktionalitäten der Website wie einem simplen Produktvergleich oder Kundenrezensionen. Als Händler war es viele Jahre jedoch sehr schwierig, Inhalte anzupassen. Auch die Bereitstellung von Daten wie Abverkaufszahlen oder der ROI von Marketingmaßnahmen ließ zu wünschen übrig. Dies hat sich inzwischen geändert. Wie schätzt du das ein, welche Möglichkeiten gibt es?
Als wir 2015 anfingen, war die Lücke zwischen Vendoren und Sellern noch sehr groß, was die Möglichkeiten angeht. Der größte Unterschied bestand in den Marketingoptionen. Hier konnten Vendoren deutlich mehr Maßnahmen nutzen als Seller. Über die letzten Jahre hat sich das Ganze ziemlich angeglichen. Für Vendoren und Seller gibt es heute fast das gleiche Portfolio an Marketingmaßnahmen und Möglichkeiten zur Produktdarstellung.
Allerdings geht die Qualität von Vendor Central und Seller Central immer noch auseinander. Hierbei handelt es sich um die unterschiedlichen Benutzeroberflächen für die Zusammenarbeit mit Amazon. Das Seller Central ist deutlich weiter entwickelt und anwenderfreundlicher. Grund ist, dass Amazon hier eine große Anzahl an Kooperationspartnern ausschließlich über eine Software zufriedenstellen muss.
Das Vendor-Geschäft ist demgegenüber noch wesentlich manueller. Es müssen Verträge und Konditionen verhandelt werden. Unabhängig davon wie gut oder schlecht das System ist, am Ende ist die Motivation mit Amazon zusammenzuarbeiten bei Vendoren deutlich größer. Das Vendor Central wird daher mit einer geringeren Geschwindigkeit optimiert.
Beginnen wir mit den Produktseiten. Wir sehen enorme Unterschiede, einige sind sehr aussagekräftig, andere wirken so, als hätte ein elektronischer Datenexport einfach nur Felder befüllt. Kümmert sich Amazon nicht selbst um den Point of Sale?
Jein. Natürlich gibt es gewisse Standardanforderungen. Amazon hat generell ein Interesse daran, ein maximal großes Portfolio anzubieten. Am liebsten würde der Handelsriese alle auf der Welt verfügbaren Produkte auf der Plattform verkaufen. Vendoren können für ihre Listings daher eine Standardform von Content und Produktdarstellung nutzen. Außerdem gibt es eine teilautomatisierte Lösung, um Produkte auf fremdsprachigen Amazon-Marktplätzen zu listen.
Im Fokus steht für Amazon allerdings nicht, den Content besonders gut zu machen. Gemeint ist im Sinne von Darstellung der Brand, Sichtbarkeit und Reichweite. Das sind wichtige Hygienefaktoren, die Amazon nicht selbst übernimmt. Hier kommen die einzelnen Vendoren ins Spiel, wenn sie besser als der Wettbewerb auf Amazon performen wollen. Diesen Part, also die Erstellung von optimiertem Content und das Content Management, übernehmen häufig Dienstleister wie wir und andere Agenturen.
Das heißt, hier ist der Händler gefragt. Welche Stellschrauben lassen sich aus deiner Sicht zügig bewegen und sollten wegen ihrer Wirkung nicht vernachlässigt werden?
Als erstes eben das Thema Content. Es ist wichtig, Produktdaten zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst große Reichweite erzeugen. Das heißt, man sollte dem Suchalgorithmus dazu verhelfen, unter möglichst vielen relevanten Suchanfragen gefunden zu werden. Das erfordert eine Spannweite an Keywords, die in den Content integriert werden. Auch darum muss man sich selbst kümmern. Dieser erste Schritt bildet die Basis für alle weiteren Maßnahmen und sollte auf keinen Fall vernachlässigt werden. Mit organischer Reichweite und Content allein, stößt man in vielen Kategorien allerdings schnell an Grenzen.
In vielen Segmenten setzen Anbieter bereits fleißig Amazon Advertising ein. Möchte ich hier Sichtbarkeit erzielen, muss ich ebenfalls aktiv werden. Der zweite Hebel nach der Content-Optimierung besteht demnach im Schalten von Suchanzeigen (Sponsored Ads) auf Amazon, ähnlich wie man es von Google Ads kennt. Auf diese Weise rückt man die eigenen Produkte in die Sichtbarkeit des Kunden und fördert die Abverkäufe. Das kann wiederum die Sichtbarkeit in den organischen Suchergebnissen pushen.
Natürlich gibt es noch viele weitere Maßnahmen, die Vendoren und Seller ergreifen können. Zu Beginn sind die Themen Content und Sponsored Ads aber die beiden großen Stellschrauben, die ich als erstes angehen würde.
Das Prinzip der Amazon-Ads dürfte Online-Marketern von Google bekannt vorkommen …
Amazon Sponsored Ads sind jünger als das vergleichbare Angebot von Google. Was Werbemöglichkeiten, Auswertungen und eine effiziente Bedienoberfläche angeht, hängt Amazon daher noch etwas hinterher. Aber Amazon schließt sehr schnell zu den anderen großen Advertisern auf. Es gibt für Seller und Vendoren bereits viele Möglichkeiten, die Werbeplattform zu nutzen.
Der Vorteil ist zum einen, dass du bei Amazon näher am Verkauf dran bist. Das heißt, man kann besser rechnen, ob sich Anzeigen lohnen oder nicht. Außerdem ist der Wettbewerb immer noch nicht ganz so hoch wie bei Google. Da Sponsored Ads auf Basis von Echtzeit-Auktionen funktionieren, sind die Preise noch etwas niedriger. Wer es richtig anstellt, kann hier deutlich effizienter Suchanzeigen schalten als bei anderen Plattformen. Und wir wissen alle: Suchanzeigen sind im Kaufentscheidungs-Funnel der Kunden relativ weit unten angesiedelt und somit das erste Mittel der Wahl, wenn es darum geht Sales anzukurbeln.
Für alle, die in Anzeigen investieren, ist es elementar, auch deren Erfolg messen zu können. Welche Möglichkeiten gibt uns Amazon hier?
Die große Herausforderung bei der Erfolgsmessung ist häufig die Frage nach der Erfolgsgröße. Ist es zum Beispiel Reichweite oder sind es Sales? Sales sind ein präziseres Mittel, um die Effektivität von Advertising-Maßnahmen messen zu können.
Hier haben wir den Vorteil, dass wir keine Medienbrüche haben, sondern uns auf ein und derselben Plattform bewegen: Wir schalten Anzeigen über Amazon und sehen auch, welchen Erfolg sie dort haben. Da wir mit den Daten innerhalb einer Welt unterwegs sind, ist eine viel bessere Messbarkeit möglich als wenn ich zum Beispiel Anzeigen auf Google schalte und in meinen eigenen Onlineshop führe oder Facebook nutze, um meine Amazon-Listings zu bewerben.
Heißt: Grundsätzlich sind die Voraussetzungen für das Messen von Performance auf Amazon ideal. Der einzige Haken ist, dass Amazon bei den verfügbaren Daten noch etwas zurück hängt. Außerdem zeigt sich der Handelsriese teilweise bewusst zurückhaltend, und es stellt sich die Frage, ob er das volle Spektrum an Informationen überhaupt herausgeben möchte. Es handelt sich im Fall von Vendoren natürlich immer noch um ein Verhandlungsmoment, das zum Beispiel bei Jahresgesprächen genutzt wird.
Es ist also davon auszugehen, dass der Informationsstand und die Möglichkeiten zu messen wahrscheinlich immer hinter den Standards bleiben werden, die man von anderen Advertisern gewohnt ist. Unter dem Strich könnte Amazon trotzdem die bessere Wahl sein, weil man sich innerhalb einer Plattform bewegt – auch wenn man vielleicht ein paar Daten weniger bekommt.
Wir haben jetzt nur einige Details angesprochen. Wer Amazon-Marketing fundiert angehen will, muss in jedem Fall Fleiß an den Tag legen. Wie schätzt ihr das ein: Ist es als Vendor überhaupt zu schaffen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen? Wie hilft euer Buch?
Die meisten Vendoren streben grundsätzlich an, sämtliche Amazon-Themen inhouse abzubilden. Oft greifen sie zu diesem Zweck zunächst auf externe Expertise zurück, zum Beispiel in Form von Beratern und Agenturen. Ziel ist, die so gelernten und entwickelten Themen dann in das Unternehmen zu verlagern.
Wir werden oft gefragt, ob wir über unsere Beratung hinaus Fachlektüre zu Amazon empfehlen können. Das Buch dient dazu, ein sehr gutes Basiswissen zu schaffen. Zum Beispiel, wenn man neu in dem Thema ist oder in ein paar Themen tiefer eintauchen möchte.
Unser Anliegen für das Buch war es, ein überzeugendes Standardwerk für Amazon-Vendoren zu schaffen. Entstanden ist ein ganzheitlicher Überblick, der alle wesentlichen Themen rund um Amazon abbildet. Es umfasst das Praxiswissen von Experten, die in ganz vielen Accounts und Produktkategorien unterwegs sind.
Wenn man die eigenen Mitarbeiter erstmal ausgebildet hat, ist die Frage: Kann man das gesamte Amazon-Geschäft tatsächlich internalisieren? Die Zusammenarbeit mit dem Handelsriesen erfordert einen ständig wachsenden und aktuellen Wissensstand. In der Praxis stellt das eine große Herausforderung dar.
Zum Abschluss bitte ich dich um eine kurze Liste: Welche drei Fehler sollten Amazon-Händler unbedingt vermeiden?
Amazons Bedeutung unterschätzen
In vielen Kategorien spielt Amazon noch nicht die allergrößte Rolle. Hier ein Beispiel: Über den stationären Handel macht ein Hersteller 80% seines Umsatzes, dann ist da vielleicht noch ein E-Commerce-Anteil von 20% und 5% davon oder sogar weniger laufen über Amazon. Das verleitet schnell dazu, das Thema Amazon erstmal auszusitzen und als vorübergehenden Trend abzustempeln. Mit ziemlicher Sicherheit wird das aber nicht der Fall sein. Wir sehen in den letzten Jahren pro Kategorie ein starkes Wachstum.
Ein weiteres Argument, das hier gerne angebracht wird: Dieses oder jenes Produkt würden Verbraucher niemals online kaufen. Diese Diskussion hatten wir bei Schuhen, dann kam Zalando. Bei Büchern, dann kam Amazon. Mittlerweile werden sogar schon Autos online gekauft, siehe Tesla als Beispiel. Selbst in diesem Segment findet also ein starker Shift statt. Und so wird es fast in allen Kategorien weitergehen.
Je früher man sich um das Thema kümmert, desto besser. Auch wenn der Anteil an Amazon Sales derzeit nur drei, vier Prozent ausmacht, sollte man es jetzt schon beherzt angehen. Nur so kann man ganz vorne mit dabei sein und läuft nicht Gefahr, diese Entwicklung zu verschlafen.
Amazons Bedeutung erkennen, aber intern keine Abteilung aufbauen
Ein weiterer Fehler liegt häufig darin, zu wenig Ressourcen für das Amazon Business bereitzustellen und keine Expertise inhouse aufzubauen. Sicherlich sind wir eine Agentur, die davon lebt, dass Expertise extern eingekauft wird. In der Zusammenarbeit ist es aber essenziell, dass es einen Gegenpart im Unternehmen gibt, der Amazon als Kanal versteht und Kennzahlen zu deuten weiß.
Den Aufbau einer eigenen Marke vernachlässigen
Das betrifft in Abgrenzung zu großen Herstellern und Marken vor allem FBA-Seller, die ihre Produkte irgendwo sourcen und auf dem Marktplatz verkaufen. Gerade als Seller muss man von Anfang an darauf achten, eine Marke aufzubauen und Kundentreue zu generieren.
Habe ich eine lukrative Produktnische entdeckt, kann der Spaß bereits nach kurzer Zeit wieder vorbei sein. Auf der Plattform sind so viele Wettbewerber unterwegs, dass ich mit Sicherheit schon bald keine Marge mehr habe. Hier besteht auf Dauer nur, wer trotz aller Goldgräberstimmung auf Amazon in die Markenbildung investiert.
Marc, ich danke für das informative Gespräch.
Das Buch „E-Commerce mit Amazon“ gibt es überall, wo es Bücher bzw. E-Books gibt ;) Hier könnt ihr das Inhaltsverzeichnis sowie ein Probekapitel „Amazon als Produktsuchmaschine“ lesen.
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