Nach einigen Jahren auf dem Berliner Messegelände hat der LinuxTag nun eine neue Location. Was sich damit – und darüber hinaus – ändert, habe ich mit dem Initiator Nils Magnus besprochen.
Nils, mit dem Weggang vom Messegelände scheint es, als würde sich der LinuxTag komplett neu erfinden. Ist das so?
Für uns vom ehrenamtlich arbeitendem Team des LinuxTag e.V. fühlt es sich ein wenig an, wie von zu Hause auszuziehen: In der STATION Berlin (OpenStreetMap | Google Maps) haben wir viel mehr Freiheiten und Möglichkeiten, allerdings müssen wir im übertragenen Sinne nun auch selbst unsere Wäsche waschen. Für uns hat das viel Arbeit bedeutet, da wir erstmals wirklich alle Belange von Konferenz sowie Ausstellung selbst in der Hand hatten und auch die Finanzierung komplett alleine gestemmt haben.
Für die Besucher bedeutet das jedoch, dass wir eine wirklich coole Location haben, die ein Industriedenkmal ist und nicht so abgelegen liegt wie das eher triste Messegelände. Viel Bekanntes, das den LinuxTag ausmacht, führen wir natürlich fort: Da ist das umfangreiche Vortragsprogramm, es gibt einen Kernel-Track mit einer Keynote von Greg Kroah-Hartman und dem anschließenden Kernel Kwestioning. Auch Hacking Contest und Keysigning Party fehlen nicht. Unsere Hands-on-Workshops haben wir sogar noch etwas ausgebaut. Wer eine LPI-Prüfung ablegen möchte, kann das seit über zehn Jahren bei uns zu vergünstigten Konditionen machen.
Wir kennen den LinuxTag als Kombi zwischen Messegeschäft und Vortragsprogramm, zwischen Vertrieblern im Schlips und Nerds auf kleinen Community-Ständen. Welche Aspekte des alten LinuxTag schaffen es in die Station?
Die Idee, die dem LinuxTag zugrunde liegt, nämlich maßgebliche Projekte und Unternehmen, Anwender und Entwickler sowie Aktivisten und Politiker zusammenzubringen, die ändert sich auch in unserer 20. Auflage seit 1996 nicht. Ich bin mir aber gar nicht so sicher, ob das gezeichnete Bild so noch gilt: Die richtig guten Vertriebler haben mittlerweile begriffen, dass sie gar keine Kravatte benötigen, wenn sie ein tolles Produkt vorstellen können. Und die Entwickler haben verstanden, dass Code nicht per se einem Selbstzweck dient, sondern nehmen Bedürfnisse von Anwendern ernst und gehen auf sie ein.
Eine unserer Subkonferenzen, der Community Leadership Summit, geht auf das Thema des organisierten Miteinanders in der Open-Source-Welt ein. Insgesamt sind wir wohl alle ein wenig erwachsener geworden. Die Kultur des Miteinander nehmen wir mit.
LinuxTag Berlin 8.-10. Mai, Station, Luckenwalder Str. 4 – 6, 10963 Berlin
– zusammen mit der droidcon: 200 Vorträge in 30 Tracks
– LPI-Prüfungen und Workshops, LT ist als Bildungsurlaub zugelassen
– Tickets 149 € für 3 Tage inkl. Linuxnacht und Abendprogramm
– Samstag ist Community-Day mit nur 10 € Eintritt
Tickets vorbestellen | Website
Wie genau sieht die Partnerschaft mit der droidcon aus? Gibt es ein gemeinsames Programm, eine gemeinsame Ausrichtung?
Die droidcon ist das weltweit größte unabhängige Android-Entwickler-Event und Android baut ja bekanntermaßen auf Linux als technische Grundlage auf. Insofern gibt es einige Parallelen zwischen den Communitys – aber auch Unterschiede. Wir sind zusammen mit unseren Kollegen von der droidcon der Meinung, dass sich beide Konferenzen gut verbinden und dabei gleichzeitig einen Blick über den Tellerrand hinaus bieten. Jede Konferenz hat tagsüber drei eigene Tracks. Ein Thema pro Tag haben wir gemeinsam zusammengestellt: Am Donnerstag geht es um mobile Geräte sowie viel Hardware. Am Freitag schauen wir uns an, wie sich das Spieleangebot für die beiden Plattformen entwickelt.
Mit 160 Vorträgen in 24 Tracks bleibt das Vortragsprogramm tatsächlich das Herzstück des LinuxTags. Welche wirst Du auf keinen Fall verpassen?
Ich selbst muss oft nach dem LinuxTag auf andere Konferenzen reisen, um endlich einmal und mit der gebotenen Ruhe die vielen tollen Beiträge anzuhören. Die Keynote von Greg Kroah-Hartman ist natürlich ein Höhepunkt: Wie Greg und die Kernel-Community es schaffen, eine derart riesige Menge an Geräten und Plattformen zu unterstützen, finde ich bemerkenswert. Mir hat er verraten, dass er ein paar Tricks dazu erläutern möchte. Virtualisierung und Security sind weitere Schwerpunkte, die mich auch persönlich interessieren. Immerhin verdiene ich damit als Berater und Senior System Engineer meine Brötchen.
Open-Source-Technologien bestimmen inzwischen unseren Alltag – von groß zu klein: Die mit Abstand meisten Webserver laufen mit Apache, die meisten Smartphones mit Android – nur als zwei Beispiele. Dennoch ist der Grundgedanke hinter freier Software bei den wenigsten Menschen verankert. Und eine winzige Debatte gab es erst jetzt wieder zur Heartbleed-Affäre. Wo steht die Open-Source-Gemeinde?
Natürlich sind Softwarefehler wie bei Heartbleed ärgerlich. In diesem Fall sogar mehr als nur das. Aber Fehler kommen in jedem technischen System vor, unabhängig davon, von wem und nach welchem Paradigma es entwickelt wurde. Das betraf große Organisationen wie die ESA, die 1996 aufgrund eines Softwarefehlers eine Ariane 5 verlor, proprietäre Softwarehersteller wie Apple mit ihrem bezeichnenden „goto fail“ und nun eben OpenSSL. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Fehler, sondern darum, ob und wie sie behoben werden. Zum Glück betraf der Heartbleed-Vorfall ja Open-Source-Software – denn andernfalls wüssten wir bis heute noch nichts davon. Ich bin sicher, dass noch viele Fehler in Quelltexten schlummern, die niemand einsehen kann. Ob die dort aus Versehen oder bewusst hinein kamen, das lasse ich einmal offen …
Der Open-Source-Gedanke ist heute doch bei den meisten angekommen, die sich ernsthaft mit Software beschäftigen. Es ist aber auch keine intuitive Idee, sondern bedarf der Erklärung und Diskussion. Zunächst sieht freie Software ein wenig wie ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse aus. Das ist aber nicht der Fall. Mit Open Source geht man auch Verpflichtungen ein, nämlich seinen Teil am Code beizutragen, ihn aufmerksam zu studieren und sich mit anderen darüber auszutauschen, wie das jetzt und in Zukunft geschehen soll. Das ist ja mit einer der Gründe, wieso wir den LinuxTag veranstalten. Die Diskussionen zwischen den Teilnehmern erweisen sich als sehr wertvoll.
Letzte Frage: LinuxNacht? ;-)
Am ersten Konferenztag, dem Donnerstag, 8. Mai 2014, findet sie wieder statt. Auch hier haben wir das Konzept etwas umgekrempelt, denn die LinuxNacht findet in unmittelbarer Nähe des Konferenzgeländes statt und das Ticket ist diesmal für alle Besucher des LinuxTag bereits inklusive. Unser Team arbeitet gerade noch mit Hochdruck an den letzten Details und ist schon auf der Suche nach Musik unter Creative-Commons-Lizenz, die dem loungigen und kommunikativen Charakter emtspricht, den die LinuxNacht hat. Außerdem feiern wir Tür an Tür mit den Besuchern der re:publica, deren Ausstellung und Abschlussparty jeder Besucher des LinuxTag auch besuchen kann. Das wird ein schöner Abend!
Nils, ich danke Dir für das Gespräch und freue mich auf nächste Woche!