Was nützt die große Funktionsvielfalt, wenn der User den Wald vor lauter Bäumen – konkret: den Mehrwert vor lauter Features – nicht sieht? Wie Produktmanager sich auf tatsächliche Kundenbedürfnisse ausrichten und so ihre Geschäftsziele erreichen, hat Melissa Perri in „Raus aus der Feature-Falle“ aufgeschrieben.
„Schnell musste ich lernen, dass meine Produkte Mist waren und von niemandem benutzt wurden“, urteilt die Autorin Melissa Perri recht harsch über ihre einstige Performance als Produktmanagerin bei einem E-Commerce-Unternehmen. Wie sie darauf kommt? Nun, eigentlich hat sie nur ihren Job gemacht: Um die ihr zugeteilten Produkte weiterzuentwickeln, schrieb sie lange Anforderungslisten für die Entwickler und überwachte schließlich deren Umsetzung. Je mehr ihrer Ideen umgesetzt wurden, desto besser.
Durchaus nachvollziehbar, oder? Wir schreiben uns Listen, gliedern diese auf, setzen Verantwortlichkeiten – also Namenskürzel – dahinter und genießen es dann, nach und nach abzuhaken. Wieder ein ToDo erledigt, wieder ein Häkchen, wieder ein Erfolg.
In der Feature-Falle
Bis: jemand den wirklichen Erfolg misst. Der, der das klare Urteil darüber fällt, dass die Produktverbesserung für einen Absatzzuwachs, für gestiegene Abonnentenzahlen oder für deutlich positive Kundenbewertungen sorgte.
In einem solchen Moment der Wahrheit ertappte sich Perri nun selbst in einer Falle – der, wie sie sie schließlich im Buchtitel benannte – Feature-Falle. Sie erkannte, was wir alle irgendwann erkannten (oder noch erkennen werden): Für den Erfolg eines Unternehmens ist es wesentlich, dass wir mit unseren Kund*innen im Gespräch sind.
Ein produktgeleitetes Unternehmen
Zu kurz gegriffen wäre es jedoch, würde man allein den oder die Produktmanager*in in der Verantwortung sehen. Deshalb führt uns Melissa Perri sehr zügig zu den systemischen Faktoren, die Produktmanager*innen überhaupt dazu befähigen, ihren Job richtig auszuüben. Das Unternehmen so zu strukturieren, dass die Weiterentwicklung des Produkts nach echten Kundenbedürfnissen im (gemeinsamen, abteilungsübergreifenden) Fokus steht.
Nach Perri gehören hierzu vier Hauptbestandteile:
- Die Produktmanager-Rolle muss mit den richtigen Verantwortungen und der korrekten Struktur ausgestattet werden.
- Es muss eine grundlegende Strategie festgelegt und kommuniziert werden, sodass der oder die Produktmanager*in gute Entscheidungen treffen kann.
- Experimentieren und Optimieren sind für die Produktentwicklung wichtig – und ein Prozess, der im ganzen Unternehmen verstanden werden muss.
- Unternehmensleitlinien, die richtige Unternehmenskultur und die passenden Belohnungen ermöglichen erfolgreiches Produktmanagement erst.
Das Buch folgt auch in seinem Aufbau dieser Argumentation. Ausgehend von der Build Trap, der Feature-Falle, erklärt Melissa Petri eben nicht nur, was ein*e Produktmanager*in leisten muss. Sie zeichnet auch einen praxisorientierten Weg zur Strategiefindung und -entwicklung des gesamten Unternehmens und erläutert Methoden zur Produktentwicklung. Und: garniert das ohnehin sehr anschaulich formulierte Know-how mit Schaubildern und Tabellen.
Denn ohne Strategie, ohne Roadmap und ohne klare Priorisierung bei der Geschäftsleitung, die dann auch über entsprechende Entscheidungsmacht und Durchsetzungskraft verfügt, kann schlichtweg der beste Product Owner nichts ausrichten. Dann klöppelt man eben einfach neue Features an das Produkt, bekommt vielleicht auch noch Boni für die tolle Entwicklungsarbeit, aber für Kund*innen entsteht faktisch kein wirklicher Wert. Kein Outcome, wie Melissa Perri erklärt.
Outcome, Product Owner,CTO, Insights: waaat?
Und hier kommen wir zu einer der großen Stärken dieses Buchs: Melissa Perri führt euch durch alle Begrifflichkeiten, erklärt und ordnet ein. Sie wirft euch nicht einfach die Jobtitel um die Ohren, sondern erläutert die verschiedenen Rollen in einem Unternehmen. Sie skizziert Prozesse und Methoden, und: Sie reichert alles mit persönlichen Erfahrungen und Beispielen an.
„Für angehende oder neue Produktmanager ist das Buch ein hervorragender Überblick über die Aufgaben und Herausforderungen, die die Rolle des Produktmanagers ausmachen.“ – produktbezogen.de, zur Originalausgabe
Zum Verständnis trägt auch Jørgen W. Lang bei, der das Buch (wie bereits viele, viele andere O’Reilly-Bücher) für uns übersetzt hat. International eingeführte Jobbezeichnungen wie CTO oder zentrale Begriffe wie Outcome belässt Lang beim Original, klassisches Vokabular aus der Wirtschaftslehre jedoch überführt er in die deutschen Entsprechungen. Auf diese Weise ist Melissa Perris hochgelobtes Buch nicht nur gut les- und nachvollziehbar, sondern lässt sich wirklich verinnerlichen.
Über das Buch
Raus aus der Feature-Falle – Wie effektives Produktmanagement echten Mehrwert schafft
Von Melissa Perri, Übersetzung: Jørgen W. Lang
190 Seiten, 1. Auflage 2020
Print: 26,90 € (D), E-Book: 21,99 € (D)
Inhaltsverzeichnis, Leseprobe und Bestellmöglichkeit unter oreilly.de.
Erhältlich bzw. über Nacht bestellbar in allen On- und Offline-Buchhandlungen.