Habt ihr schon mal vom Boss-Worker-Game oder der Marshmallow Challenge gehört? Wisst ihr, wie ihr gemeinschaftliche Büro-Suppenkoma in ein Meeting voller Witz und Kreativität verwandeln könnt? Marc Bleß und Dennis Wagner haben besonders bewährte agile Spiele in einem O’Reilly-Taschenbuch zusammengefasst – und einen Überraschungserfolg gelandet. Für das oreillyblog habe ich mit den beiden gesprochen.
Lieber Marc, lieber Dennis – erst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurem Buch, und ganz besonders zu dem riesigen Erfolg damit. Das Buch ist vor gerade einmal acht Wochen erschienen und soeben haben wir den zweiten Nachdruck beauftragt. Das ist ein Ausnahmeerfolg! Haben denn alle nur auf ein solches Buch gewartet? (Ihr auch?)
Dennis: Offensichtlich! Spaß beiseite. Wir sind auf die Idee zu dem Buch gekommen, weil wir uns auf einer Konferenz beim Mittagessen über das Thema Mentoring unterhalten haben. Welche Tools, Bücher, Podcasts und Blogs wir im Rahmen unseres Jobs so empfehlen. Und dabei haben wir festgestellt, dass es gerade für das Thema Spiele eigentlich nur eine allseits bekannte Quelle gibt: tastycupcakes.org. Das ist eine (riesige) Webseite mit Sammlungen hunderter Spiele. Alles schön und gut, aber sich als Neuling hier zurechtzufinden ist eine echte Herausforderung. Da können wir helfen, dachten wir.
Marc: Es sieht schon so aus, dass wir mit dem Buch genau zum richtigen Zeitpunkt fertig geworden sind. Zwei Jahre haben wir uns Zeit gelassen und das war anscheinend gut so. Die Leser sind laut Rezensionen sehr zufrieden, was Inhalt und Format angehen.
Dennis: Insbesondere das Format als „kurz & gut“ ist einfach klasse. Das Buch passt zur Not wirklich in die Hosentasche. Aber wir haben schon von einigen Käufern gehört, dass es in Ihrem Koffer oder Rucksack mittlerweile ein dauerhafter Begleiter ist. Das haben wir uns gewünscht. Wir freuen uns schon total auf erste Bilder von total zerlesenen Exemplaren.
Marc: Ja, mit ganz vielen Notizen und weiteren Ideen der Leser. Das wäre superspannend für eine erweiterte Auflage. So können wir auch noch aus den Erfahrungen unserer Leser lernen und weitere Spielvarianten, Stolperfallen, etc. ins Buch aufnehmen.
Dennis: Und auch für uns selbst war es eine tolle Übung, all das einmal niederzuschreiben. Wir haben nicht beide alle Spiele gekannt, sondern zusammengelegt, was wir beide so wissen. Damit haben wir auch selbst viel gelernt.
Über das Buch
Agile Spiele – kurz & gut
190 Seiten, November 2019
Print: 14,90 € (D), E-Book: 11,99 € (D)
Inhaltsverzeichnis, Leseprobe und Bestellmöglichkeit unter oreilly.de.
Erhältlich bzw. über Nacht bestellbar in allen On- und Offline-Buchhandlungen.
Was spricht euer Erfahrung nach dafür, sich agilen Methoden spielerisch zu nähern?
Dennis: Man kann so in kurzer Zeit komplexe Sachverhalte viel besser erklären. Wir können natürlich in Powerpoint und Co. oder – im Agilen typischer auf Flipcharts – tolle Kurven zeichnen, um Konzepte darzustellen. Zum Beispiel dass es sinnvoller ist, Aufgaben nacheinander statt parallel abzuarbeiten. Aber wenn Teilnehmer eines Workshops oder Trainings das quasi am eigenen Leib erfahren ist es einfach viel eingängiger. Hierfür haben wir einige Übungen im Buch, damit unsere Leser eben auch weit über das reine Spielen hinaus Wissen vermitteln können.
Marc: Die praktische Erfahrung, die die Teilnehmer über ein Spiel machen, ist für mich ausschlaggebend. Das verankert sich viel tiefer als die rein theoretische Vermittlung eines agilen Prinzips. Wenn ich beim Boss-Worker-Game als „agile Führungskraft“ konkret spüre, welche Auswirkungen mein neues Handeln auf das Ergebnis und die Zufriedenheit des Teams hat, ist das etwas ganz anderes als die abstrakte Aussage, dass ich zukünftig mein Team „enablen“ soll.
Dennis: Wir stellen deshalb in dem Buch nicht einfach nur Spiele vor. Natürlich darf der Spaß nicht zu kurz kommen, aber gerade die Simulationen sind einfach ein unglaublich gutes Werkzeug zur Wissensvermittlung. Wir haben übrigens eine Reihe von großartigen Zitaten zu dem Thema im Buch verteilt. Da sind einige echte Perlen dabei.
Wie aufgeschlossen ein Mensch für Spiele ist, halte ich für sehr individuell – wie im Freundeskreis gibt es auch in Unternehmen Spielernaturen, die sich von jeder Aufgabe herausgefordert sehen. Und Kolleg*innen, denen die Lust auf Experimente oder gar Wettbewerb vollständig abgeht. Lassen sich in eurem Buch dennoch für alle Teams die richtigen Methoden finden?
Dennis: Da hast Du absolut Recht. Nicht jeder mag das. Im beruflichen Umfeld geht es in vielen Firmen sehr ernst zu. Auch hier helfen wieder die Simulationen. Wir kündigen bei solchen Teilnehmern eben „eine Veranschaulichung“ an, kein Spiel.
Marc: Das war ja auch beim Finden des Buchtitels eine lange Überlegung. Klingt „Agile Spiele“ für ernste Leute in ernsten Umfeldern zu unseriös? Sollten wir es lieber „Agile Simulationen“ nennen? Wir sind (glücklicherweise) bei der ursprünglichen Variante geblieben. Allen kann man es eh nicht recht machen – weder den Lesern, noch den Teammitgliedern.
Dennis: Aber tatsächlich zeigt unsere Erfahrung, dass häufig die Lust auf’s Spielen an ganz unerwarteter Stelle auftritt. Wir hatten selten so viel Spaß beim Lego spielen wie mit so manchem Vorstand. Hier kommt es natürlich auf’s Fingerspitzengefühl an. Wir haben hierzu aus unseren langjährigen Erfahrungen einige Tipps ins Buch gepackt.
Marc: Und es ist ganz normal, dass manche Leute einfach nicht aktiv mitmachen wollen. Auf diesen Fall haben wir im Buch auch alternative Möglichkeiten der Einbindung beschrieben.
Ihr erwähnt gleich zu Beginn des Buchs immer wieder, dass ihr als Moderator in die Gruppe hineinspüren müsst. Wie wichtig ist es, dass Trainer Stimmungen und Dynamiken in einer Gruppe wahrnehmen und einfangen können?
Dennis: Grundsätzlich sehr wichtig. In vielen Gruppen – gerade in Trainings – ist das meist einfach. Aber gerade das Thema „Ernsthaftigkeit“ beschäftigt viele Gruppen. Sind beispielsweise Führungskräfte und Mitarbeiter gemeinsam in Gruppen, verhält es sich anders, als wenn die Gruppe rein aus Leuten derselben Hierarchieebene besteht. Die Kunst des Moderators liegt tatsächlich ganz oft genau hier. Solche Gruppen nicht schon zu Beginn verlieren, bevor es losgeht; das ist, was man in diesem Job erreichen will. Und dafür wollen wir so viel Hilfestellung anbieten, wie wir nur können.
Marc: Ich würde da sogar noch weitergehen. Neben der Schwierigkeit unterschiedlicher Augenhöhen gibt es ja in ganz vielen Teams eine lange praktizierte „Artificial Harmony“ – da gibt es keine Probleme, da sind alle beste Freunde, da wird niemals jemand ein böses Wort gegenüber einem Teammitglied äußern. In einer Runde Fearless Journey kann das dazu führen, dass die tatsächlichen Hindernisse für das Team nie auf den Tisch gelegt werden. Hier braucht es als Moderator eine gute Wahrnehmung und vor allem die Erfahrung, wie ich das durchbrechen kann.
Kann man diese Skills lernen, und was muss ein Trainer außerdem mitbringen?
Dennis: Na ja, Empathie hilft. Allerdings muss man sagen, dass wir selbst viele Menschen ganz unterschiedliche Typs kennen, die hier erfolgreich sind. Es ist mitnichten so, dass nur vorlaute extrovertierte Menschen große Gruppen moderieren können. Und es ist auch nicht so, dass dieser Menschenschlag nicht unter Lampenfieber leiden würde.
Marc: Als Trainer musst du in erster Linie authentisch sein, wohlwollend auf alle Persönlichkeitstypen der Teilnehmer eingehen können und souverän bleiben bei plötzlichen Abweichungen deiner Agenda.
Dennis: Wir beide glauben einfach an einen gut gefüllten Werkzeugkoffer. Und genau dafür haben wir dieses Buch geschrieben. Der Rest ist oft Erfahrung und persönlicher Austausch.
Marc: Und gerade für die konkrete Erfahrung und den persönlichen Austausch bieten wir das Buch mittlerweile auch als Agile Spiele-Training an. Da vermitteln wir die Moderation agiler Spiele mit Hilfe der Moderation agiler Spiele ;-)
Die Methodik kann dabei sicherlich helfen. Habt ihr ein Lieblingsspiel, einen Trumpf, den ihr bevorzugt zieht? Wenn ja, welches?
Dennis: Na klar. Sogar mehrere. Je nach Typ des Spiels. Meine Lieblingsspiele sind sicherlich der Energyzer Happy Salmon und das Kanban Name Game.
Marc: Ich blühe jedes Mal auf, wenn ich sehe, wie gestandene Entwickler und Führungskräfte beim LEGO-City-Game vollem Enthusiasmus und Kreativität zu einem funktionierenden Team werden. Als Energizer geht für mich nichts über das Geschrei und den Irrsinn einer schnellen Runde Schnick-Schnack-Schnuck.
Marc, Dennis, ich danke euch für das Gespräch.
Über die Autoren von „Agile Spiele – kurz & gut“
Marc Bleß hat 20+ Jahre Erfahrung als Agile Coach, Scrum Master, Softwareentwickler und Führungskraft. Er brennt darauf, Teams und Organisationen nachhaltig zu verbessern. Marc begleitet Unternehmen auf allen Ebenen bei der Einführung agiler Entwicklungsmethoden und der Umsetzung agiler Werte, Prinzipien und Praktiken.
Dennis Wagner ist, seit er mit 17 Jahren sein erstes eigenes Softwareprodukt verkauft hat, der Entwicklung verschrieben. In so unterschiedlichen Rollen wie Architekt, Team Lead, Entwickler oder Product Manager erprobte er viele Jahre erfolgreich eine bessere Softwareentwicklung. Dennis hilft Teams, Führungskräften und Organisationen als Full Stack Agile Coach, ihr Potential zu entdecken und zu entwickeln.