Leadership Storytelling für alle, die etwas bewegen wollen: In ihrem neuen Buch demonstriert Petra Sammer, wie sich anhand emotionaler, überraschender und einprägsamer Geschichten Teams, Kunden und Stakeholder begeistern lassen. Im oreillyblog erzählt sie unter anderem, wie Unternehmen Geschichten finden und transportieren können, welche Speaker das bereits gut beherrschen und was hinter der pssst-Methode steckt.
Liebe Frau Sammer, erst einmal Glückwunsch zum nun schon dritten Fachbuch bei uns. Wir freuen uns sehr darüber – und möchten jetzt als erstes wissen: Welche Anekdote erzählen Sie auf einer Party über die Entstehungsgeschichte dieses Buchs?
Ich habe Filmphilologie studiert. Das ist nicht gerade die beste Voraussetzung, um einen Job zu bekommen, denn Filmphilologen machen keine Filme, sie interpretieren sie. Und wie viele Jobs gibt es wohl in Deutschland, in denen man als Filmkritiker Geld verdienen kann? So verlief meine Karriere auch ganz anders und ich landete in der PR. Als ich Anfang letzten Jahres allerdings die Ehre und Aufgabe hatte, eine Gruppe von Wissenschaftlern für einen Bühnenauftritt in Storytelling zu coachen und einer der Forscher mich mit dem Satz begrüßte „Kennen Sie Data aus Star Trek“, wusste ich, dass mein Studium nicht ganz umsonst war. Und ich wurde bestärkt in der Idee, ein Buch zu schreiben, das Führungskräften, Teamleitern und allen, die vor Publikum auftreten wollen, hilft, die Kraft der Story zu verstehen und selbst zu Storytellern zu werden.
„Storytelling“ und „Visual Storytelling“ hatten vornehmlich Marketing und PR im Blick – bei beiden Büchern ging es darum, statt simpler Werbung zu einem Produkt eine bestimmte Geschichte zu erzählen. Welchen Unternehmensbereich, welche Zielgruppe hat „What’s your Story?“ im Blick?
Dieses Buch richtet sich an alle, die etwas bewegen wollen. Im Mittelpunkt stehen da Führungskräfte und Projektverantwortliche – also alle, die zusammen mit ihren Teams vor großen Herausforderungen stehen und Verantwortung übernehmen. Ganz egal in welchem Beruf oder in welcher Branche – sie alle haben den Job, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Probleme zu lösen. Dabei müssen sie Kollegen und Kolleginnen mitzunehmen und meist auch Skeptiker überzeugen. Größte Aufmerksamkeit liegt dabei in der Bewältigung der tatsächlichen Aufgabe. Das ist selbstverständlich.
Schaut man sich aber Erfolgsprojekte einmal genauer an, wird man feststellen, dass der Schlüssel zum Erfolg nicht nur die faktische Lösung der Aufgabe war. Bei herausragenden Projekten schenkten die Führungskräfte und Teamleiter*innen der Kommunikation rund um ein Projekt höchste Aufmerksamkeit. Sie kommunizierte mit ihrem Team, ihren Stakeholdern und dem gesamten Umfeld nicht nur außergewöhnlich viel, sondern auch kreativ. Führungspersönlichkeiten, die tatsächlich etwas bewegen, präsentieren nicht nur rational, sondern sie erzählen auch emotional. Storytelling ist damit nachweislich eine Schlüsselqualifikation für viele.
Sie haben sicher bereits Dutzende Keynotes und Vorträge auf Konferenzen gesehen. Sind die üblichen Präsentationen zu langweilig, verschenken Unternehmen hier Potenzial?
Es gibt fantastische Redner. Das Publikum fühlt sich da nicht nur informiert, sondern auch unterhalten. Und dann gibt es aber ein großes Mittelfeld und Rednern, die sich bemühen, die aber das Publikum leider nicht wirklich begeistern können. Zwei Dinge fallen mir dabei immer wieder besonders auf: Viele Redner wollen einfach zu viel. In einer halben Stunde wollen sie ihrem Publikum alles vermitteln, was sie sich über Jahre selbst angeeignet haben. Diese Informationsfülle ist erschlagend und kann nicht gut gehen. Und wenige Redner schaffen es auch, sich persönlich in ihr Thema einzubringen. Sie präsentieren zwar säuberlich die Fakten, doch scheinen sie ein distanziertes Verhältnis zu ihrem Thema zu haben. Bei guten Rednern merkt man, sie sind „all in“, das heißt, sie sind mit Begeisterung und ihrer vollen Überzeugung im Thema. Diesen Redner fällt es in der Regel leicht, eine überzeugende Geschichte zu erzählen und damit ihr Publikum zu fesseln.
Bei produzierenden Unternehmen beispielsweise, die starke Bilder zeigen können, mögen die Storys auf der Hand liegen. Aber was könnten denn etwa Banken erzählen? Oder IT-Systemhäuser, wie sieht Leadership Storytelling bei ihnen aus?
Wenn Unternehmen ihre Produkte zeigen können, so erscheint das als Vorteil, denn man hat ja etwas „vorzuweisen“. Dahinter steckt aber auch die Gefahr, dass man sich zu sehr auf diese Standardbilder verlässt und die Präsentation zu einer Verkaufsshow verkommt. Storytelling ist „Kino im Kopf“ und eröffnet so viel mehr Möglichkeiten. Es spielt also gar keine Rolle, ob man im Unternehmen oder vom Projekt tatsächlich Bilder hat. Eine gute Story kreiert Bilder. Eine Business Developerin, die über die Stabilität und das Wachstum eines Marktes referieren will, erzählt von Sanddünen, den am schnellsten wachsenden Systemen, und was man von ihnen lernen kann. Der Chef-Einkäufer eines B2B-Konzerns erzählt von seiner Studentenzeit, in der er eine Kneipe führte und was er damals schon an agilem Wareneinkauf erlebt hat. Sanddünen, Studentenkneipen … diese Stories lassen Bilder im Kopf entstehen und in der Präsentation wesentlich anschaulicher als abstrakte Konstrukte wie „Marktverdichtung“ oder „variable Einkaufspolitik“.
Kennen Sie CEOs oder Gründer, die Leadership Storytelling schon jetzt sehr gut machen?
Tim Höttges, CEO der Telekom, ist der beste Redner unter den DAX-Vorständen. Das sagen Handelsblatt und die Universität Hohenheim, die in einer Studie jährlich die Redner der 30 DAX-Vorstände analysieren. Höttges gewinnt regelmäßig dieses Ranking wegen seiner klaren und leicht verständlichen Sprache, er ist aber auch ein hervorragender Storyteller. Auch Dieter Zetsche, ehemaliger Vorstand der Daimler AG, ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler und er weiß auch, gute Stories zu inszenieren. Als Beispiel lohnt es sich in seine Aktionärsrede auf der Hauptversammlung 2014 hineinzusehen. Dreißig Minuten lang präsentiert Zetsche die wichtigsten Fakten, die für den Erfolg von Daimler sprechen. Aber ab Minute 34 erzählt er eine kleine Geschichte zum Thema Fahrzeugsicherheit anhand eines spanischen Kunden. Zetsche zieht dazu einen kleinen Brief aus der Tasche und inszeniert mit einfachen Mitteln diese Story mitten in der Rede.
In einem Gastartikel hier im oreillyblog hatten Sie bereits beschrieben, was eine gute Story ausmacht. In Ihrem neuen Buch erklären Sie die pssst-Methode. Was steckt dahinter?
Pssst… ist eine kleine Eselsbrücke, um sich die fünf neuralgischen Aspekte – und Arbeitsfelder für eine gute Storytelling-Rede zu merken.
P steht für Passion und Persönlichkeit, die jeder Redner mitbringen sollte. Allenfalls ist die Frage berechtigt, ob man überhaupt der/die Richtige ist, um über das Thema zu sprechen. Im Buch gibt es Tipps, wie man dies Passion – auch ohne zu viel Pathos – zum Ausdruck bringen kann.
S steht für Story. Gute Geschichten haben ihre Gesetzmäßigkeiten, die man auch als Redner kennen sollte. Dazu gehören wichtige Bauelemente wie „Hauptdarsteller“ oder „Konflikt und Transformation“. Wer mehr erzählen statt präsentieren will, sollte die Bauprinzipien guter Stories kennen und sich möglichst viele Geschichten anhören und ansehen. Das Buch bietet dazu jede Menge Material.
Das zweite S aus pssst… steht für Struktur. Eines der entscheidenden Erfolgskriterien einer guten Storytelling-Rede ist die Struktur. Und dafür gibt es weit mehr als die von Aristoteles propagierte Pyramidenstruktur mit Anfang, Mittelteil und Ende. Sie haben die Wahl zwischen Sparklines, Rahmenhandlung, Achterbahnfahrt, Matroschka-Prinzip und vielem mehr.
Das dritte S aus pssst… steht für Sinnlichkeit, denn jede gute Geschichte spricht alle Sinne an. In einer Rede kommen dabei vor allem Auge und Ohr zum Einsatz. Aber das Erstaunliche im Storytelling ist, dass wir eine gute Geschichte neuronal so wahrnehmen, als wären wir dabei. Wenn ein Erzähler also erzählt, dass die Heldin an einer Rose riecht, dann aktiviert dieser Satz im Gehirn der Zuhörer die gleichen Gehirnareale als würden sie selbst eine Rose riechen. Die Kraft der Story kann also sogar neurowissenschaftlich nachgewiesen werden.
Das T am Ende von pssst… steht für Technik. Ein wichtiges Kapitel von „What’s your Story?“ behandelt die Redetechnik – von Körpersprache bis Sprachmodulation – aber auch die tatsächliche Technik, die wir während der Rede bedienen. Meist ist dies PowerPoint. Und warum auch nicht. Wer PowerPoint kreativ nutzt, kann damit großartige Ergebnisse erzielen. Die Präsentationscharts müssen nur passend zur Story eingesetzt werden – all dies kann mit der pssst…-Methode erlernen.
Liebe Frau Sammer, vielen Dank für das Gespräch.
Das Buch What’s your Story? – Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen ist als Print- sowie als E-Book-Variante im Buchhandel erhältlich. Hier könnt ihr das Probekapitel Die Kraft der Story (PDF) lesen und hier das Inhaltverzeichnis (PDF) einsehen.
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