Am 3. Februar findet in Mannheim die Female’s Favour(IT)e Conference – eine IT-Konferenz für Mädchen und Frauen- statt. Für das oreillyblog haben wir mit Theresa Best, Gründungsmitglied des Mannheimer Vereins Hackerstolz e.V. und Mitorganisatorin der Konferenz unterhalten.
Liebe Theresa, kannst Du uns zunächst ein bisschen über Dich und Deinen Werdegang erzählen?
Liebe Corina, gerne. Zuerst aber noch einmal vielen Dank für die Einladung zum Gespräch, da haben wir uns sehr darüber gefreut!
Nach dem Abi habe ich zunächst BWL in Mannheim studiert. Der Bachelor dort ist schon sehr breit aufgestellt und so hatte ich hier erste Berührungen mit Informatik und Wirtschaftsinformatik. Nachdem mir das von allen Bereichen am meisten Spaß gemacht hat, habe ich mich entschlossen, für den Master ganz auf Wirtschaftsinformatik umzusteigen. Den Master habe ich dann ebenfalls in Mannheim gemacht und in der Zeit die anderen Gründungsmitglieder von Hackerstolz e.V. kennen gelernt.
Über HackerStolz:
HackerStolz ist ein junger Verein aus der Metropolregion Rhein-Neckar, der im Februar 2015 von aktuellen und ehemaligen Studierenden der Uni Mannheim und der DHBW Mannheim gegründet wurde. Zweck ist, Hackathons in der Region zu etablieren. Neben Hackathons engagiert sich HackerStolz auch noch bei Hackschools, ist Co-Organisator der Gründerbar und unterstützt viele andere Formate in Mannheim.
Dann bist Du beim HackerStolz e.V. eingestiegen. Wie kam es schließlich zur The Female’s Favour{IT}e Conference?
Wir hatten als Verein nun schon einige Veranstaltungen hinter uns, beispielsweise Hackathons in Mannheim, Berlin und Karlsruhe. Auch andere Event-Formate wie die Hackschool oder die Gründerbar sind im Laufe der Zeit dazu gekommen. Die Veranstaltungen machen immer sehr viel Spaß, aber eine Sache ist mir aufgefallen und hat mich gestört: Selbst bei Hackschools, bei denen es darum geht, ohne weitere Vorkenntnisse programmieren zu lernen, war der Frauenanteil gering bis nicht vorhanden.
Daher war unser erster Gedanke: Lasst uns einen Hackathon für Frauen machen! Unser zweiter Gedanke war aber die Befürchtung, dass es dafür nicht genügend Teilnehmerinnen geben wird. Daher haben wir uns überlegt, was wir kurz- und mittelfristig tun könnten, um unser langfristiges Ziel, nämlich ein ausgewogeneres Verhältnis von unterschiedlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei unseren Veranstaltungen, zu erreichen. Dann kam uns die Idee mit der Konferenz.
Unser Wunsch ist es, ansprechende, aktuelle Tech Talks für unsere Zielgruppe anzubieten und ihnen dadurch die Berührungsangst zu nehmen, sollte es eine geben. Beziehungsweise, ihnen die Möglichkeit geben, sich mit anderen Frauen in entspannter Atmosphäre über spannende Themen auszutauschen.
An wen richtet Ihr Euch – Schülerinnen, Programmiererinnen; Frauen, die am Anfang Ihres Berufslebens oder bereits mittendrin sind?
Kurz gesagt: an alle. Wir bieten zwei unterschiedliche Tracks mit Vorträgen an. Ein Track soll einen Überblick verschaffen und eignet sich vor allem für Frauen, die interessiert und offen für neue Themen sind, bisher aber noch nicht zu viele Berührungspunkte hatten und daher vielleicht noch etwas zögerlich agieren. Ihnen wollen wir einen Einstiegspunkt bieten. Der zweite Track geht ein wenig mehr in die Tiefe und richtet sich daher eher an Programmiererinnen und ITlerinnen, was aber nicht heißt, dass nicht auch andere Frauen reinschnuppern dürfen. Grundsätzlich kann man sich nach jedem Vortrag neu entscheiden, was man als nächstes hören möchte. Auch was die Karrierestufe angeht, freuen wir uns über jede, die kommt. Wenn wir Schülerinnen von Informatik begeistern könnten, wäre das ein voller Erfolg!
Aber noch viel mehr soll die Veranstaltung eine Plattform bieten, sich mit anderen bemerkenswerten Frauen auszutauschen und zu netzwerken, vielleicht auch Frauen kennen zu lernen, die einem dann mal unter die Arme greifen oder denen man vielleicht selbst unter die Arme greifen kann.
Kannst Du uns ein paar Programmhighlights verraten?
Mein persönliches Highlight wird sein, viele bereichernde Gespräche und Denkanstöße mitzunehmen. Die Vorträge habe ich alle noch nicht gehört, daher fällt es mir schwer, etwas dazu zu sagen. Wenn ich aber rein nach den Titeln gehe, freue ich mich mit am meisten auf den Vortrag „A guided tour through Cryptographic Security: from the Age of Caesar to the Post-quatum Apocalypse“, weil ich gespannt bin zu erfahren, wie im Alten Rom verschlüsselt wurde und ob man die Ansätze und Denkweisen, die dem zugrunde lagen, heute noch finden kann.
Die Female’s Favour(IT)e Conference findet am 3. Februar in Mannheim statt. Mehr Infos zum Programm findet Ihr hier, Tickets gibt es noch hier. Total super: Die Konferenz ist kostenfrei! Die zur Registrierung nötigen 10 € bekommt Ihr auf der Konferenz erstattet.
Welche Erfahrungen bezüglich der Ausgewogenheit und Gleichberechtigung der Geschlechter hast Du persönlich zunächst im Studium und später im Berufsleben gemacht?
Es stimmt tatsächlich, dass es weniger Frauen als Männer in dem Bereich gibt ;-). Die meisten Männer sind sehr nett, offen und hilfsbereit und die meiste Zeit fühle ich mich in dem Umfeld wohl. Aber auch nette, offene und hilfsbereite Männer verhalten sich manchmal wie Mitglieder einer Boygroup und dann kann es vorkommen, dass man sich als einzige Frau davon ausgeschlossen fühlt, auch wenn das auf Seite der Männer eher unbewusst passiert.
Dieses Unbewusste ist aus meiner Sicht auch noch ein wenig das Problem. In meinem Alter hat man eigentlich keine Männer mehr, die offen frauenfeindlich sind. Alle sind sehr reflektiert und rational. Das ist schon einmal prima und ein großer, wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Im zweiten Schritt geht es jetzt aber darum, auch unbewusstes Verhalten zu verändern, sodass auch die wenigen Situationen, in denen ich mich manchmal noch wie die Außerirdische im Raum fühle, ganz verschwinden.
Ich für mich habe aber festgestellt, dass ich weder lieber mit Männern noch lieber mit Frauen zusammenarbeite, ich arbeite einfach gerne mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammen.
Was denkst Du, warum entscheiden sich immer noch deutlich weniger Mädchen als Jungen für ein Studium der Informatik?
Das ist wirklich eine schwierige Frage. Ich glaube, es hat sehr viele unterschiedliche Ursachen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten greifen. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass man schon sehr früh Kinder bewusst und unbewusst beeinflusst, in welche Richtung sie irgendwann einmal gehen. Wenn man Mädchen zu oft sagt, dass Informatik (oder Mathe oder Fußball oder was auch immer) ein „Jungs-Ding“ ist, dann glauben sie das irgendwann. Und wenn sie beigebracht bekommen, dass sie wertgeschätzt werden, wenn sie hübsch sind und nicht, wenn sie schlau sind, hinterlässt das auch Spuren.
Ich will hier auf gar keinen Fall verallgemeinern, natürlich ist das nicht bei jedem Kind so, dass es solche Botschaften hört. Aber es kommt vor. Und dagegen sollte man etwas tun. Ich war dieses Jahr auf dem Ada Lovelace Festival in Berlin und Jacqueline de Rojas, Präsidentin von Tech UK, sagte „We start scouting talents for our national soccer teams at the age of four, why don’t we start scouting IT talents at that age?“ Ich glaube, wenn man Mädchen früher in dieser Richtung fördern würde und beginnen würde, sie für diese Thematik zu begeistern, würde der Anteil von Frauen im Informatik-Studium steigen.
Wenn Du an Mädchen in Deinem Umfeld denkst, die gerade auf weiterführenden Schulen sind und sich über ihre Berufswahl Gedanken machen – Nichte, Cousine, Schwester oder die Nachbarstochter: Was würdest Du ihnen raten?
Zuerst einmal sollte man, zumindest ungefähr, wissen, was man will. Hier wäre mein Tipp: ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren! Ich habe jede Gelegenheit genutzt, um irgendwo reinzuschnuppern, seien es Girls‘ Days, Praktika oder auch nur die Möglichkeit, Leuten Löcher in den Bauch zu fragen. Mich hat dabei immer am meisten interessiert, was die Leute begeistert, das zu tun, was sie tun. Dadurch habe ich viele Einblicke bekommen und unterschiedliche Meinungen erlebt, sodass ich mir selbst ein ganz gutes Bild machen konnte und dann besser wusste, was ich wollte. Und selbst, wenn das nicht so hundertprozentig klar wird, ging es mir zumindest so, dass ich immer ein paar weitere Dinge ausschließen konnte, die ich definitiv nicht wollte.
Der zweite Schritt ist dann, sich einfach zu trauen. Das klingt sehr banal, aber daran scheitert es ganz oft. Ich kenne das auch von mir: Bevor ich etwas schwieriges beginne, fallen mir schon drei bis zehn Gründe ein, warum es nicht klappen wird oder klappen kann. Man kann aber üben, dieses Verhalten abzulegen. Vor einiger Zeit habe ich „Lean in“ von Sheryl Sandberg gelesen und sie fragt „What would you do if you weren’t afraid?“ Die Meinungen zu dem Buch gehen auseinander und ich möchte das auch nicht kommentieren, aber diese eine Frage halte ich persönlich für sehr wichtig. Und vor schwierigen Entscheidungen versuche ich mich daran zu erinnern und mich zu fragen: wenn ich keine Angst hätte, was würde ich dann tun?
Also kurz und knapp zusammengefasst: Neugierig sein und ausprobieren, sich dann trauen und entscheiden, dann wird sich alles finden.
Hast Du den Eindruck, dass es für Einsteigerinnen in IT-Berufen heute leichter ist bzw. es immer leichter wird?
Das ist schwierig zu beantworten, da ich den Vergleich zu früher ja nicht am eigenen Leib erlebt habe. Aber aus meiner persönlichen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass man als Frau in IT-Berufen zur Zeit ein wenig im Fokus steht, dadurch leichter auffällt und man deswegen den Einstieg schaffen kann. Auch nach dem Einstieg sind Unternehmen, gerade die großen, sehr bemüht und es gibt zum Teil tolle Programme für Einsteigerinnen. Das heißt aber nicht, dass im Gegenzug nichts erwartet wird. Die Leistung muss früher wie heute schon stimmen. Aber wenn sie stimmt, trifft man aus meiner Erfahrung heraus auf sehr unterstützende Umfelder.
Was muss sich noch ändern, welche Werte und Grundhaltungen wünscht Du Dir?
Ich würde mir mehr Respekt und Wertschätzung in der Diskussion und mehr Gemeinsamkeit in der Umsetzung wünschen. Es gibt Berufe, die haben einen auffällig hohen Anteil an Frauen und es gibt Berufe, die einen auffällig hohen Anteil an Männern haben. Wir sollten das offen hinterfragen, ohne Vorwürfe, ohne gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen und Ausflüchte zu suchen. Andere Meinungen sollten akzeptiert werden. Ich würde mir wünschen, dass wir alle an einem Strang ziehen, Männer und Frauen. Gleichberechtigung bedeutet nämlich nicht, dass es Männern hinterher schlechter geht, weil sie weniger bekommen als vorher. Genauso wenig wie mehr Frauen in der IT dazu führen, dass es Männern schlechter geht. Gleichberechtigung bedeutet, dass es am Ende allen besser geht. Dass die Gesellschaft in Deutschland das erkennen würde und dann respektvoll und einander wertschätzend gemeinsam Veränderungen anstoßen würde – das würde ich mir wirklich wünschen.
Auf fünf IT-Angestellte bei Google kommt nur eine Frau, wir hörten von Sexismus im Silicon Valley. Was können Unternehmen tun, um zu einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis in Ihren Teams zu gelangen – und warum ist das wichtig?
Warum das wichtig ist, ist anhand einer Anekdote schnell erzählt: Irgendein großes, hippes, Internet-Unternehmen hat einen Hackathon veranstaltet und dazu nur die besten Studenten eingeladen, eine bestimmte Fragestellung zu bearbeiten. Die waren zum größten Teil männlich und ähnlich sozialisiert und am Ende des Hackathons kamen bei den zehn Teams zehn sehr ähnliche Ideen heraus. Ich konnte im Internet leider keine Quelle mehr dazu finden, deswegen kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass es kein Märchen ist. Die Anekdote verdeutlicht aber, was mittlerweile in vielen Studien erforscht wird: wenn man unterschiedliche Leute im Team hat, hat man unterschiedliche Blickwinkel. Das bezieht sich nicht nur aufs Geschlecht, sondern auch auf Alter, Kulturkreis und so weiter. Das Produkt oder der Service, den das Team entwickelt, wird dadurch automatisch besser, weil jeder seine Sicht einbringt. Im Umkehrschluss bedeutet das für Unternehmen, dass vielfältige Teams wirtschaftlich erfolgreicher sind. Deswegen ist es kaum zu glauben, dass in vielen Unternehmen die Teammitglieder alle noch sehr ähnlich sind, gerade wenn man Führungsteams, Tech-Teams oder Ingenieurteams betrachtet.
Die Frage, was Unternehmen dafür tun können, finde ich schwierig zu beantworten. Ich glaube nicht, dass die typischen Diversity-Kampagnen ausreichen. Man sollte Frauen ehrlich fragen, was sie davon abhält und dann an den Ursachen arbeiten. Es könnten fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder sein, es könnte aber auch eine „Umkleidekabine-Atmosphäre“ sein und noch ein paar andere. Man kann nicht mit einer Maßnahme alle Ursachen bekämpfen. Das wichtigste aber ist: man sollte die Antworten der Frauen ernst nehmen und ihnen nicht sagen, was sie alles ändern sollten, sondern Unternehmen sollten sich fragen, was sie tun können, um für jeden und jede ein angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen.