Am 1. Weihnachtsfeiertag verloren wir unseren Kollegen und Freund Gerd Miske. Er verstarb nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von nur 54 Jahren. Sein Tod ist für uns alle unfassbar, auch wenn er mit uns offen über seine Krankheit sprach. Es war wohl Gerds unerschütterlicher Optimismus, sein stetes „et hätt noch immer jot jejange“, was uns glauben lassen hat, ihm bliebe noch mehr Zeit in unserer Mitte, an seinem Schreibtisch neben unseren Schreibtischen. Keiner von uns ahnte, dass auf seine Worte „ich gehe für ein paar Tage in die Klinik“ ein endgültiger Abschied folgen würde. Wir alle wünschten und hofften in seinen letzten Wochen und Tagen so sehr auf ein Wunder.
Gerd war Buchhändler bei Lehmanns in Köln, als er von Tim O’Reilly eingeladen wurde, am Aufbau einer deutschen O’Reilly-Niederlassung mitzuarbeiten. In der Folge prägte er als einer der ersten O’Reilly-Angestellten in Deutschland den Verlag grundlegend. Er baute Regale auf und richtete Websites und Datenbanken ein. Er fuhr zu Linuxtagen und anderen Messen (nie ohne sein Leatherman…). Er hielt Kontakt zu Buchhändlern und Branchenkollegen. Und er reiste nach Sebastopol zu den US-Kollegen und wurde auch ihnen ein Freund.
Gerd war der Kollege, der sich bei Erfolgen von Herzen mitfreute und bei Misserfolgen mitfühlte. Er versorgte uns mit Reibekuchen, Selbstgekochtem und bestem Nippeser Eis. Er wusste, wo die Leiter steht und das eine, vermisste Dokument abgespeichert war, er becircte die Kaffeemaschine (sein „Tamagotchi“) und die Druckerqueue. Er lud zum WM-Gucken und half bei privaten Umzügen der O’Reilly-Kollegen.
Glücklich machten ihn mehr als zehn gleichzeitig geöffnete Putty-Verbindungen, Perl-Skripte und Plain-Text, dicke O’Reilly-Animal-Bücher (wie die Unix-Bibel oder das Kamel-Buch „Programmieren mit Perl“) und seine vi-Tasse mit mehr als durchgezogenem Früchtetee auf dem Schreibtisch. So gewappnet tüftelte er sich erfolgreich und voller Enthusiasmus durch alle Herausforderungen des Verlagsalltags.
Er wird uns unendlich fehlen. Wir haben nicht nur ein „O’Reilly-Urgestein“, wie er sich selbst gern nannte, sondern einen echten Freund verloren. Wenn wir an ihn denken, denken wir an ganz viel Herzenswärme und Hilfsbereitschaft, an Bescheidenheit und seinen freundlichen, offenen und positiven Blick auf die Welt.
Mach et joot, Gerd. Du hast O’Reilly in Deutschland in jeder Sekunde gelebt wie kein anderer. Ohne Dich wird O’Reilly nie wieder so sein, wie es in den vergangenen 21 Jahren war. Wir vermissen Dich. Sehr.
Zum Abschluss erlaube ich mir, noch aus einer Mail unseres Verlagsgründers Tim O’Reilly zu zitieren:
Along with Gunter Fuhrmeister, Gerd was central to setting up our German presence when I first did the joint venture with International Thomson in the early 90s. He was a constant, joyful presence, full of fun and insight and goodwill. I first met him when he was still at Lehmann’s bookshop, and learned so much from his insights into new technology. It was he who first introduced me to this new thing that was taking off in Europe, Linux, and urged us to publish on it. (I believe we were the first American publisher to do so, because Gerd pointed the way.)
He was with me at the Linux Summit in Wurzburg in 1997 when I gave my talk Hardware, Software, and Infoware (…) Incidentally, that was the same conference where Eric Raymond gave The Cathedral and the Bazaar, I met Eric, and we set in motion the thinking that led to the open source summit in 1998. (…)
I loved the way Gerd talked. His English was very good, but full of colloquialisms. I never wanted to correct him because his attempt to translate a German way of thinking into English always illustrated to me the difference, and opened my eyes to new ways of seeing.
I have had many employees at O’Reilly over the years, and Gerd was one of those I most loved.
Tim O’Reilly, Dec 2014
P.S.: In der ersten Podcast-Folge mit Tim Pritlove könnt Ihr Gerd über den Verlag erzählen hören. Eine Traueranzeige gibt es beim Börsenblatt.
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