Web und Social Media sind natürlich auch im Journalismus omnipräsent und haben großen Einfluss auf das Berufsbild des Journalisten/der Journalistin. Wie beeinflusst die Datenflut des Webs ihren Berufsalltag? Oder ändert sich gar das ganze Berufsbild? Anlässlich der Ende Mai in Köln stattfindenden Fachtagung des Journalistinnenbunds sprach ich mit dessen Regionalsprecherin Köln-Bonn, Eva Hehemann.
Der Journalistinnenbund veranstaltet vom 23. bis 25. Mai 2014 in Köln seine Fachtagung zum Thema „Doing Gender 2.0 – Publizieren zwischen Datenflut und kapitaler Ebbe„. Sind Medien und Journalisten – also Publizisten – dem Zeitalter von Big Data wirtschaftlich überhaupt gewachsen?
Die zunehmende Digitalisierung stellt uns weltweit vor große Herausforderungen, nicht nur im Bereich des Journalismus. Aber in den Medien scheinen die Umwälzungen besonders dramatisch zu sein und vor allem unsere frei arbeitenden Kolleginnen spüren den wirtschaftlichen Druck.
Trotzdem wollen wir die Digitalisierung nicht nur als Krise und Gefährdung sehen, sondern sie auch als Chance begreifen. Gerade für Frauen bietet das Netz erstaunliche Möglichkeiten, für ihre Interessen und Themen eine breitere Öffentlichkeit zu finden. Wir haben zu unserer Tagung Expertinnen eingeladen, die uns Wege aufzeigen werden, wie wir das Netz gewinnbringend für unsere Arbeit nutzen können. Anne Roth, Ulrike Langer und Teresa Bücker – um nur ein paar wenige zu nennen – sind anerkannte Fachfrauen und begehrte Speakerinnen.
Kann die immer größer werdende Datenflut im Internet journalistisch sinnvoll aufbereitet werden? Welchen Nutzwert hat sie für den seriösen Journalismus?
Gerade weil die Datenflut immer unübersichtlicher wird, ist Qualitätsjournalismus heute wichtiger als je zuvor. Wir brauchen kompetente, kenntnisreiche und unerschrockene Einordnung und Bewertung all der Meldungen, mit denen das Netz uns täglich überschüttet. Dabei müssen Journalist_innen genau wissen, wie sie bei ihrer Recherche unterscheiden können zwischen seriöser und Falsch-Meldung, glaubwürdigen Informanten oder Werbern sowie zwischen relevanten Ereignissen und Überflüssigem. Sogar für die Sicherheit unserer Informanten und ihrer Daten sind wir als Journalist_innen verantwortlich, brauchen dazu Basis-Wissen in Verschlüsselung.
Wie selbstverständlich ist der Einsatz von Social Media für die tägliche journalistische Arbeit?
Es ist mittlerweile wohl kaum noch möglich, sich als Journalist_in völlig dem Einsatz von Social Media zu verweigern. Wer von uns sich jedoch kompetent und strategisch klug im Netz bewegt, ja sich regelrecht als „Marke“ zu positionieren weiß, hat die besten Chancen, wirtschaftlich auch in Zukunft zu überleben. Aus der Ausbildung des journalistischen Nachwuchses sind Social Media ohnehin nicht mehr wegzudenken.
Der Journalistinnenbund ist ja ein bundesweites, berufsbezogenes und Generationen übergreifendes Netzwerk für Frauen, die hauptberuflich publizistisch tätig sind. Frauen stehen in der IT bisher noch weniger im Focus. Haben Sie einen Tipp, wie sich die Wahrnehmung der Frau in der IT in der Öffentlichkeit steigern ließe?
Nicht nur der Journalistinnenbund setzt sich dafür ein, dass Frauen und ihre Belange in der Öffentlichkeit sichtbarer werden. Für fast jeden Beruf, jede Branche gibt es ein regional, bundesweit oder sogar international operierendes Frauen-Netzwerk, das sich diesem Ziel verschrieben hat. Der Journalistinnenbund kooperiert z.B. mit den Digital Media Women, den webgrrls oder dem deutschen ingenieurinnenbund. Es gibt zahlreiche Initiativen, um mehr junge Frauen für technische Berufe, auch für IT zu begeistern, sie bei ihrer Karriereplanung zu unterstützen und sie in Führungspositionen zu bringen.
Es wird bei zahlreichen Tagungen, Kongressen und anderen Veranstaltungen darauf hingewiesen, wie wichtig es für berufstätige Frauen ist, sich mit gleichgesinnten Kolleginnen zu verbinden und Empfehlungsnetzwerke unter Frauen zu bilden, weibliche Seilschaften, die einander auf dem Weg in die Chefetagen helfen.
Über die regionalen Gleichstellungsämter und in entsprechenden Internet-Foren können Frauen jedes Alters und aus jedem Berufsfeld das für sie passende Netzwerk finden. Der Journalistinnenbund freut sich ebenso wie alle anderen Frauen-Netzwerke und -Verbände über engagierte neue Mitglieder. Je zahlreicher wir sind, desto größer ist unser Einfluss, desto mehr Sichtbarkeit erreichen wir für unsere Anliegen.
Für Leser, die den Journalistinnenbund noch nicht kennen: Wie sind konkrete Aufgaben und Betätigungsfelder?
Wir sind ein bundesweites Netzwerk von rund 500 Frauen im Journalismus und setzen uns für engagierten Qualitätsjournalismus ein, für Menschen- und für Frauenrechte. Wir fordern mehr Macht für Frauen in Medien und Gesellschaft und deshalb eine 50-Prozent-Quote in den Chefetagen der Medienunternehmen. Wir beobachten, ob und wie Medien über Frauen in Politik und Gesellschaft berichten und machen öffentlich auf Missstände aufmerksam. Wir sind international vernetzt und unterstützen Kolleginnen, z.B. im arabischen Raum.
Mit unserem Mentoring-Programm und dem Marlies-Hesse-Nachwuchspreis fördern wir den weiblichen Nachwuchs. Mit unserer Hedwig-Dohm-Urkunde ehren wir die Arbeit der erfahrenen Kolleginnen. Beide Preise vergeben wir jährlich im Anschluss an unsere Fachtagung.
Der Journalistinnenbund wurde 1987 gegründet und ist ein gemeinnütziger Verein, organisiert in Regional- und Arbeitsgruppen. Wir veranstalten regelmäßige Treffen, zu denen wir gerne auch interessierte Nicht-Mitglieder willkommen heißen. Wir finanzieren uns zum größten Teil aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, dazu kommen zweckgebundene Projektmittel.
Frau Hehemann, ich danke für das nette Gespräch!
Alles weitere Wissenswerte über den Journalistinnenbund, die Themen und Projekte findet sich auf der Homepage. Dort wird auch auch über die anstehende Fachtagung vom 23. bis 25. Mai 2014 in Köln informiert.