Wir bleiben im Subgenre der Geek-Biopics, verlassen aber die BRD und werfen einen Blick über den großen Teich. Ungefähr zur gleichen Zeit, als sich Hans-Christian Schmid mit dem Hacker Karl Koch beschäftigte, realisierte Martyn Burke für den amerkanischen Fernsehsender TNT einen Film über die wohl berühmtesten Computerjünger aller Zeiten: „Pirates of Silicon Valley“ aus dem Jahr 1999 ist ein auf historischen Begebenheiten basierendes, nahezu klassisches Drama über den Aufstieg von Steve Jobs (Noah Wyle) und Bill Gates (Anthony Michael Hall) bzw. Apple und Microsoft – und die Rivalität zwischen den beiden IT-Legenden und ihren Firmen.
“While you might think that a story about the creation of computer companies might be as thrilling as your university Pascal course, think again. Seeing this history played out is thoroughly entertaining” schrieb damals der Apollo Guide – und hatte Recht.
Dass “Pirates of Silicon Valley” ein ebenso unterhaltsamer wie aufschlussreicher Film ist, dürfte v.a. der Entscheidung des Regisseurs zu verdanken sein, auf den offiziellen Segen und die damit verbundene Unterstützung von Apple und Microsoft zu verzichten. Das machte zwar umfangreiche Recherchen erforderlich, hatte jedoch mit Sicherheit den entscheidenden Vorteil, die Protagonisten mit vielen Ecken und Kanten darstellen zu können.
So wird Steve Jobs zwar einerseits als smarter, attraktiver Visionär portraitiert, andererseits aber auch als manipulativer, mitunter kaltherziger Menschenschinder. (“90h/week… and loving it!” steht z.B. auf den ersten Shirts für das Apple-Entwicklerteam). Bill Gates begegnet dem Zuschauer als sympathisch-chaotischer Nerd und selbstbewusster Geschäftsmann. Gleichzeitig wird jedoch klar, dass er für persönliche Erfolge auch mal jede Business-Ethik über Bord wirft und einigen fragwürdigen Grundsätzen folgt (“You know what they say in the mafia? You keep your friends close, and your enemies closer”). Auch wenn die Macher des Films hier sicher keine unumstößlichen Fakten zeigen und den Figuren eigene Sätze in den Mund gelegt haben, scheinen sie der Persönlichkeit aller Beteiligten doch recht nahe gekommen zu sein. Die wichtigsten Ereignisse der Firmensaga wurden zudem sinngemäß richtig rekonstruiert – sagt jedenfalls Jobs-Weggefährte Steve Wozniak auf seiner Website.
Ein wichtiges Ziel beim Reenactments der Jobs-Gates-Geschichte scheint die Beleuchtung der businessphilosophischen Frage gewesen zu sein, welche Methode die bessere bzw. effektivere ist: Bestehende Strukturen, Konzepte und Ideen nutzen bzw. ausnutzen, um groß zu werden (Microsoft und die Deals mit MITS und IBM)? Oder ganz normativ ein völlig neues, eigenes Imperium schaffen (Apple als tougher Indie Player mit Venture-Kapital)?
Historische Quellen zeigen allerdings (genau wie der Film), dass Jobs zwar deutlich visionärer war als Gates, aber lange nicht so innovativ, wie man meinen möchte. So geht die – wirklich revolutioniäre – grafische Benutzeroberfläche, die Microsoft der Legende nach von Apple geklaut hat, weder auf die eine noch auf die andere Firma zurück. Der bei vielen schon vergessene Pionier heißt hier Xerox Alto.
Ansonsten laden Burke und seine Drehbuchautoren den Zuschauer gleich zu Beginn ein, darüber nachzudenken, welche historische Bedeutung der von Jobs und Gates repräsentierten Geek-Generation eigenlich beizumessen ist. Wer hat die Welt nachhaltiger beeinflusst: Die Protestkultur und Antikriegsbewegung der 60er und 70er – oder die Evangelisten des Personal Computers? Im Film werden wir u.a. Zeuge eines kurzen Gesprächs zwischen Jobs und Wozniak auf dem Campus von Berkeley im Jahr 1971. Die Polizei hat gerade unter Schlagstock- und Tränengaseinsatz eine Kundgebung gegen den Vietnamkrieg beendet. Was Steve seinem Kumpel Woz in Bezug auf die Protestführer mitteilt, wirkt schier unglaublich:
„Those guys think they’re revolutionaries… they’re not. We are.“
40 Jahre später mag diese These immer noch arrogant sein – haltbar ist sie auf jeden Fall. Aktuelle Prognosen (Gartner) gehen davon aus, dass bis 2015 weltweit mehr als 2 Milliarden (!) Computer im Einsatz sind, von denen ein Großteil natürlich auf die Dienste von Google, Facebook, Twitter, Wikipedia & co. zugreifen kann. Nerds und Geeks, die ehemaligen Außenseiter, beraten derweil Regierungen oder sitzen gar in Parlamenten.
In Sachen Narrativ kann “Pirates of Silicon Valley” ebenfalls punkten: Als Erzähler fungiert auf Apple-Seite die Filmversion von Wozniak (Joey Slotnick), für den Microsoft-Teil ist Steve Ballmer bzw. John DiMaggio verantwortlich (seine Clownperücke aus dem Karnevalsladen stellt leider einen der wenigen Tiefpunkte des Films dar). Im Rückblick berichten beide über Glanzmomente und Krisen Ihrer Chefs und versuchen dem Zuschauer zu erklären, wie die „shaggy nerds“ (Apollo Guide) die Bastelgaragen und Studentenwohnheime hinter sich lassen und in den Club der reichsten Leute der Welt aufsteigen konnten.
Betrachten wir zum Abschluss kurz die damalige Reaktion von Steve Jobs auf den Film. Sie ist auf einer CNN-Website bestens dokumentiert und mit einer netten Anekdote verbunden.
Der Apple-Chef fand den Film an sich grauenhaft, war von der schauspielerischen Leistung Noah Wyles jedoch so überzeugt, dass er ihn für die Macworld Expo 1999 rekrutierte, wo Wyle die ersten fünf Minuten der Key Note übernahm – bis er zur Belustigung aller Beteiligten nach ein paar Minuten von Jobs mit folgenden Worten von der Bühne geschmissen wurde:
“Wyle, you don’t have me at all! What the hell are you doing? First I pick up my slide-clicker and then I put my hands together!”
Ob sich Bill Gates jemals zu “Pirates of Silicon Valley“ geäußert hat, ist (zumindest mir) nicht bekannt…
Zu Teil 1: Primer
Zu Teil 2: The Computer Wore Tennis Shoes
Zu Teil 3: 23- Nichts ist so wie es scheint
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