Die Website Flowtown.com fasste sie vor einigen Monaten in einer Grafik alle zusammen: die Tagebuchschreiber, die Modeblogger, die Techblogger, die Rucksackreisenden mit Online-Dependance und viele andere Blog- und Bloggertypen, die sich seit Anfang der Neunziger entwickelt haben. Doch wie hat alles angefangen?
Seit 17 Jahren bloggt der Amerikaner Justin Hall bereits unter Links.net. Er schreibt über alles, was in seinem Leben vor sich geht: Hall tippt sich den frühen Selbstmord seines Vaters von der Seele, berichtet vom Uni-Leben, seiner Hochzeit und schließlich der Trennung und dem Umzug in eine Junggesellenbude. Seine Leser lebten mit ihm in Chicago und San Francisco, besuchten Partys und bezogen Wohnungen. Sie bereisten Japan, Hawaii, Südkorea oder die Schweiz, gingen Beziehungen ein und trennten sich wieder, nahmen Jobs an und gründeten Unternehmen.
Am Leben anderer teilhaben
Grenzen gibt es wenige, doch Menschen, die ihr Persönlichstes in Blogs diskutieren, viele. Justin Hall war der Erste von Millionen. Welche Beweggründe haben sie? Häufig therapeutische: „Seit 1994 blogge ich, und seitdem erhalte ich Feedback und Unmengen von Liebe durch das Web“, erklärt Hall. „Es gibt keinen Abstand, keine schwachsinnige Objektivität. Ich erzähle Geschichten aus meinem Leben, und Sie lassen sich drauf ein oder Sie lassen es bleiben.“ Justin Hall will sein Leben teilen und ermutigt seine Leser, das ihrige ebenfalls öffentlich zu machen.
Das Logbuch fürs Web
Diese „Personal Blogger“ sind der Ursprung, auf die die häufig verwendete Umschreibung „Online-Tagebuchschreiber“ noch passt. Eine weitere Funktion kam mit dem 1997 geprägten Begriff „Weblog“ hinzu: das Loggen des Webs, bei dem nicht mehr (nur) das persönliche Leben, sondern Links zu interessanten Artikeln, Videos und anderen Fundstücken aus dem Web veröffentlicht werden. Die Blogger spezialisierten sich, und heute gibt es mit etwa 200 Millionen Blogs weltweit zu jedem erdenklichen Thema eines. Insbesondere Fachblogs sind zudem auf einem sehr hohen Niveau und können oft auch sprachlich mit journalistischen Publikationen wie Fachzeitschriften mithalten.
Berufliche Ziele
Die Beweggründe sind hier klar: Gelingt es einem Blogger, das eigene Wissen abzubilden und durch aktuelle Berichterstattung im Gespräch zu bleiben, steigen die Chancen auf berufliche Weiterentwicklung. Nicht selten wurden Jobs vergeben, weil jemand über eine gute Online-Selbstdarstellung verfügte.
Corporate Blogs
Und längst sind Blogs in allen Gesellschaftsschichten be- und anerkannt: Bereits im Jahr 2007 kannten 77 Prozent der deutschen Internetuser Weblogs, etwa die Hälfte las regelmäßig welche. Der 2010 von der Blogsuchmaschine Technorati veröffentlichte Report „State of the Blogosphere“ bescheinigt Blogs zudem einen starken Einfluss auf die traditionellen Medien. Und auch Firmen kommen nicht mehr daran vorbei: 28 Prozent der deutschen Unternehmen betreiben ein Corporate Blog, weitere 17 Prozent planen eines (Kurzfassung der Studie Online-Marketing-Trends hier zum Download). Und wer nicht selbst bloggt, bietet etablierten Bloggern an, die eigenen Produkte zu testen und vorzustellen. Vorbei die Zeiten, in denen Werbeleute wie Jean-Remy von Matt Blogs als Klowände beschimpfte.
Kaum technische Hürden
Der enorme Erfolg von Blogs ist nicht nur auf deren Inhalte, sondern auch auf die „neue Leichtigkeit des Publizierens“ zurückzuführen: Während Justin Hall und seine Mitstreiter in den Neunzigern noch HTML-Code eintippten, können Blogger heutzutage auf intuitiv bedienbare Blogsoftware zurückgreifen, ob auf dem eigenen Server installiert oder bei blogger.com und anderen Anbietern gehostet.
Bloggen mit WordPress
In den meisten Fällen ist dies kostenlos, so auch bei WordPress. Die Open Source-Blogsoftware gibt es sowohl zum Download für den eigenen Server als auch als Plattform im Web – und mit 68 Prozent Marktanteil ist sie in Deutschland die beliebteste. WordPress ist extrem anpassungsfähig, Nutzer der Downloadversion können mit den ebenfalls kostenfrei verfügbaren Layout-Dateien („Themes“) ihr Blog hochgradig individualisieren. Entscheiden sich Bloginteressierte dafür, direkt unter wordpress.com zu bloggen, sind die Gestaltungsmöglichkeiten zwar geringer, jedoch wird man dafür von allen technischen Aufgaben entbunden und kann sich voll und ganz auf die Inhalte konzentrieren.
Übrigens: Beide Möglichkeiten behandelt Olivia Adler in ihrem Buch „Praxiswissen WordPress“, das Ende Mai in der 2. Auflage erschien. Sie widmet sich ausführlich den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von WordPress, hilft bei Installation und Einrichtung, beschreibt tägliche Aufgaben wie das Eingeben von Texten oder den Umgang mit Kommentaren und versäumt auch nicht, auf Sicherheitsfragen einzugehen.
Und vielleicht geben Sie Justin Hall Recht: Es kann sich lohnen, ein Blog zu betreiben. Wir sind davon schon seit einiger Zeit überzeugt :-)