Wir freuen uns über das Interesse an unserer Reihe „Frauen in der IT“, gerade auch über die zahlreichen Kommentare zum letzten Artikel und machen umso motivierter weiter. Wie schon in ihrem ersten Beitrag nimmt sich hier Frau Martina Diel einen weit verbreiteten Mythos vor und sagt, wie es wirklich ist. ;-)
Der Mythos:
Der Programmierer, der bei kalter Pizza und abgestandener Cola stundenlang seinen Source Code immer wieder kompiliert und kompiliert, weil der versteckte Bug sich einfach nicht finden lässt und das Release morgen raus soll.
Der Systemadministrator, der an einem Sonntagmorgen um 4 Uhr vom Bereitschafts-Handy geweckt wird und mit rotgeränderten Augen ins Rechenzentrum schlurft, um den abgeschmierten Server wieder zu starten (das Remote-Login via SSH funktioniert leider nicht)
Der Datenbank-Administrator, der noch um 23 Uhr SQLs absendet, um auf seinen Produktionstabellen wieder für Ordnung zu sorgen, die es irgendwie zerschossen hat, als die USV nicht funktionierte, als sie es hätte sollen.
Also 150% Einsatz rund um die Uhr – als Frau hat man da schlechte Karten, spätestens wenn man irgendwann mal auch eine Familie haben will. Und Teilzeit arbeiten geht schon gar nicht, solche Arbeiten lassen sich nicht aufteilen.
Die Realität:
Programmierer haben Gleitzeit wie ihre Kollegen in anderen Abteilungen – jedenfalls in Unternehmen, in denen Überstunden bezahlt werden – und wer sich in seinen Code verliert, der tut meist das aus Leidenschaft – und schreibt die Stunden natürlich auf. Projektendtermine werden immer geschoben, und meist liegt es nicht an einer einzelnen Person, wenn der D-Day nicht gehalten wird – die Gefahr, allein als Sündenbock herhalten zu müssen, ist also gering.
Mancher Systemadministrator meldet sich freiwillig für Bereitschaftseinsätze, weil er dafür, dass selten was passiert, ganz schön gut entlohnt wird.
Und der DBA schließlich … okay, den kann es durchaus mal so treffen, wenn sich böse Umstände verketten, das will ich gar nicht leugnen. Aber DBA muss man ja auch nicht werden – es gibt genug andere Jobs in der IT, die Auswahl ist da so vielfältig wie in anderen Branchen auch. Sie können Projektmanagerin sein bei einem Energieversorger oder Softwarearchitektin in einem internationalen Konzern, oder Support-Mitarbeiterin bei einem Hersteller von Chemie-Datenbanken-Software oder Teamleiterin in einem Beratungshaus, oder oder oder…
Es gibt also keinen Grund, vor einem Job in der Informatik zurückzuschrecken, bloß weil man einen langen Abend auf dem Sofa mit einem Glas Wein und dem Lieblings-Douglas-Adams-Band zu schätzen weiß oder an einem Samstagabend lieber auf der Tanzfläche (oder auch daheim bei einem verschnupften Fünfjährigen) verbringt als im Serverraum im doppelten Boden.
Viele War Stories von Nachteinsätzen, genial-kryptischen Perl-Scripten und abgerauchten Servern haben vor allem eine Funktion: die Zuhörer davon zu überzeugen, dass der Erzähler a) extrem wichtig und b) der Guru schlechthin ist, ohne den nichts ginge, ob tags, ob nachts und c) mit diesen Geschichten einfach Spaß zu haben.
Wenn Sie diese Art Folklore nicht zu ernst nehmen und dem Perfektionismus abschwören, der Sie Dinge sagen lässt wie „Wenn ich’s nicht mache, dann macht’s ja keiner“, dann steht einem einigermaßen geregelten Arbeitsalltag nichts im Wege.
Und die Zeit arbeitet sowieso für uns Frauen: Spätestens ab 2012 wird der Fachkräftemangel – zur Zeit von vielen noch als nicht existent belächelt – spürbar zuschlagen, und dann werden auch die Arbeitsbedingungen hoffentlich noch stärker an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer/innen ausgerichtet, als das heute der Fall ist. Männer gewöhnen sich gerade schon an die Elternzeit – wer weiß, vielleicht wird das Thema von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon bald vom Frauen- zum Elternthema. (Und man braucht noch nicht mal Kinder zu haben, um die Existenz von Freizeit zu schätzen. )
Über die Autorin:
Martina Diel hat vor fast zwei Jahrzehnten ein Romanistik-Studium absolviert, sich aber dann ganz neu orientiert und viele Jahre erfolgreich als Consultant, Projektmanager und Key Account Manager in der IT-Beratung gearbeitet. Seit 2005 bietet sie zusätzlich Berufs- und Bewerbungscoaching für all jene an, die in der IT-Branche tätig sind oder es werden wollen, und ist parallel weiter im Management von IT-Projekten tätig. Da sie selbst erfolgreich eine berufliche Umorientierung mit allen Hürden, aber auch großem persönlichen Gewinn vollzogen hat, kann sie andere besonders gut bei einer beruflichen Neuausrichtung unterstützen.
Für O’Reilly hat sie das IT-Karrierehandbuch verfasst.
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